Ich habe nach langer Zeit wieder einmal Lau- ra und die schöne Bianka besucht. Mich wun- dert sehr, daß ich nicht schon eher darauf ge- fallen bin, meine Ergötzungen mannichfaltiger zu machen. Warum muß der Mensch selbst in seinen Vergnügungen einseitig und eigensinnig seyn? -- Rosaline dringt jetzt in mich, daß ich sie heirathen soll, und ich glaube, unter solchen Umständen kann einem ein jedes Mädchen zuwi- der werden; dabey hat sie ihr kindliches unbe- fangenes Wesen verlohren, und spricht jetzt so altklug und überlegt. Lieber Freund! Wodurch entsteht doch die Philosophie unsrer Weiber? --
Mein Willy will nach England, und jetzt wäre die beste Gelegenheit, seiner los zu wer- den: einer meiner Bekannten reist dorthin, und will ihn herzlich gerne mitnehmen. Aber frey- lich würde denn mein ganzes Verhältniß mit Rosalinen gestört! Ich weiß noch gar nicht, wie ich das alles einrichten soll. -- Kommen Sie doch nach Rom, ich beschwöre Sie, ich vermisse Sie bey jeder Gelegenheit.
N 2
54. William Lovell an Roſa.
Rom.
Ich habe nach langer Zeit wieder einmal Lau- ra und die ſchoͤne Bianka beſucht. Mich wun- dert ſehr, daß ich nicht ſchon eher darauf ge- fallen bin, meine Ergoͤtzungen mannichfaltiger zu machen. Warum muß der Menſch ſelbſt in ſeinen Vergnuͤgungen einſeitig und eigenſinnig ſeyn? — Roſaline dringt jetzt in mich, daß ich ſie heirathen ſoll, und ich glaube, unter ſolchen Umſtaͤnden kann einem ein jedes Maͤdchen zuwi- der werden; dabey hat ſie ihr kindliches unbe- fangenes Weſen verlohren, und ſpricht jetzt ſo altklug und uͤberlegt. Lieber Freund! Wodurch entſteht doch die Philoſophie unſrer Weiber? —
Mein Willy will nach England, und jetzt waͤre die beſte Gelegenheit, ſeiner los zu wer- den: einer meiner Bekannten reiſt dorthin, und will ihn herzlich gerne mitnehmen. Aber frey- lich wuͤrde denn mein ganzes Verhaͤltniß mit Roſalinen geſtoͤrt! Ich weiß noch gar nicht, wie ich das alles einrichten ſoll. — Kommen Sie doch nach Rom, ich beſchwoͤre Sie, ich vermiſſe Sie bey jeder Gelegenheit.
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54.
William Lovell an Roſa.
Rom.
Ich habe nach langer Zeit wieder einmal Lau-
ra und die ſchoͤne Bianka beſucht. Mich wun-
dert ſehr, daß ich nicht ſchon eher darauf ge-
fallen bin, meine Ergoͤtzungen mannichfaltiger
zu machen. Warum muß der Menſch ſelbſt in
ſeinen Vergnuͤgungen einſeitig und eigenſinnig
ſeyn? — Roſaline dringt jetzt in mich, daß ich
ſie heirathen ſoll, und ich glaube, unter ſolchen
Umſtaͤnden kann einem ein jedes Maͤdchen zuwi-
der werden; dabey hat ſie ihr kindliches unbe-
fangenes Weſen verlohren, und ſpricht jetzt ſo
altklug und uͤberlegt. Lieber Freund! Wodurch
entſteht doch die Philoſophie unſrer Weiber? —
Mein Willy will nach England, und jetzt
waͤre die beſte Gelegenheit, ſeiner los zu wer-
den: einer meiner Bekannten reiſt dorthin, und
will ihn herzlich gerne mitnehmen. Aber frey-
lich wuͤrde denn mein ganzes Verhaͤltniß mit
Roſalinen geſtoͤrt! Ich weiß noch gar nicht,
wie ich das alles einrichten ſoll. — Kommen
Sie doch nach Rom, ich beſchwoͤre Sie, ich
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/201>, abgerufen am 23.11.2024.
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