Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Mädchen, die hat er verführt, das merk' ich so
aus ihrem stillen, jammernden Wesen. Ich mag
Dir nur nicht alles schreiben, wie ich es denke,
und es ist Unrecht von mir, daß ich so denke:
aber ich kann nicht dafür, lieber Bruder, die
Gedanken kann man sich nicht geben und nicht
nehmen, sie kommen ganz ungerufen, und quä-
len uns oft eben so, wie Mücken und Stechflie-
gen. Die sind sehr häufig, und auch so bey
mir die schlimmen Gedanken. -- Nun ich den-
ke, Gott wird mich schon wieder zurecht brin-
gen, sobald ich nur wieder auf unserm from-
men, väterlichen Boden stehe. O wie freue ich
mich, Dich und meinen alten Herrn, den gu-
ten Lord Lovell wieder zu sehn! -- Grade, wie
sich ein Kind auf den heiligen Christ freut, so
ist mir zu Muthe. -- Lebe wohl bis dahin,
bester Bruder.



Maͤdchen, die hat er verfuͤhrt, das merk’ ich ſo
aus ihrem ſtillen, jammernden Weſen. Ich mag
Dir nur nicht alles ſchreiben, wie ich es denke,
und es iſt Unrecht von mir, daß ich ſo denke:
aber ich kann nicht dafuͤr, lieber Bruder, die
Gedanken kann man ſich nicht geben und nicht
nehmen, ſie kommen ganz ungerufen, und quaͤ-
len uns oft eben ſo, wie Muͤcken und Stechflie-
gen. Die ſind ſehr haͤufig, und auch ſo bey
mir die ſchlimmen Gedanken. — Nun ich den-
ke, Gott wird mich ſchon wieder zurecht brin-
gen, ſobald ich nur wieder auf unſerm from-
men, vaͤterlichen Boden ſtehe. O wie freue ich
mich, Dich und meinen alten Herrn, den gu-
ten Lord Lovell wieder zu ſehn! — Grade, wie
ſich ein Kind auf den heiligen Chriſt freut, ſo
iſt mir zu Muthe. — Lebe wohl bis dahin,
beſter Bruder.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0205" n="199"/>
Ma&#x0364;dchen, die hat er verfu&#x0364;hrt, das merk&#x2019; ich &#x017F;o<lb/>
aus ihrem &#x017F;tillen, jammernden We&#x017F;en. Ich mag<lb/>
Dir nur nicht alles &#x017F;chreiben, wie ich es denke,<lb/>
und es i&#x017F;t Unrecht von mir, daß ich &#x017F;o denke:<lb/>
aber ich kann nicht dafu&#x0364;r, lieber Bruder, die<lb/>
Gedanken kann man &#x017F;ich nicht geben und nicht<lb/>
nehmen, &#x017F;ie kommen ganz ungerufen, und qua&#x0364;-<lb/>
len uns oft eben &#x017F;o, wie Mu&#x0364;cken und Stechflie-<lb/>
gen. Die &#x017F;ind &#x017F;ehr ha&#x0364;ufig, und auch &#x017F;o bey<lb/>
mir die &#x017F;chlimmen Gedanken. &#x2014; Nun ich den-<lb/>
ke, Gott wird mich &#x017F;chon wieder zurecht brin-<lb/>
gen, &#x017F;obald ich nur wieder auf un&#x017F;erm from-<lb/>
men, va&#x0364;terlichen Boden &#x017F;tehe. O wie freue ich<lb/>
mich, Dich und meinen alten Herrn, den gu-<lb/>
ten Lord Lovell wieder zu &#x017F;ehn! &#x2014; Grade, wie<lb/>
&#x017F;ich ein Kind auf den heiligen Chri&#x017F;t freut, &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t mir zu Muthe. &#x2014; Lebe wohl bis dahin,<lb/>
be&#x017F;ter Bruder.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0205] Maͤdchen, die hat er verfuͤhrt, das merk’ ich ſo aus ihrem ſtillen, jammernden Weſen. Ich mag Dir nur nicht alles ſchreiben, wie ich es denke, und es iſt Unrecht von mir, daß ich ſo denke: aber ich kann nicht dafuͤr, lieber Bruder, die Gedanken kann man ſich nicht geben und nicht nehmen, ſie kommen ganz ungerufen, und quaͤ- len uns oft eben ſo, wie Muͤcken und Stechflie- gen. Die ſind ſehr haͤufig, und auch ſo bey mir die ſchlimmen Gedanken. — Nun ich den- ke, Gott wird mich ſchon wieder zurecht brin- gen, ſobald ich nur wieder auf unſerm from- men, vaͤterlichen Boden ſtehe. O wie freue ich mich, Dich und meinen alten Herrn, den gu- ten Lord Lovell wieder zu ſehn! — Grade, wie ſich ein Kind auf den heiligen Chriſt freut, ſo iſt mir zu Muthe. — Lebe wohl bis dahin, beſter Bruder.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/205
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/205>, abgerufen am 27.11.2024.