Thore in meinem Garten, wir wollen mündlich ein Mehreres darüber sprechen, seit ich neulich Rom verlassen habe, habe ich vieles gelernt und erfahren, und manches ist in meiner Seele wan- kend gemacht, was ich noch vor kurzem für fel- senfest hielt.
Ich habe Ihnen noch einen kleinen Vorfall nicht erzählt, den ich jetzt in der Eile nachho- len will. Ich sprach Rosalinen im heftigsten Ausbruche ihres Kummers; sie war wirklich schön: bald ward sie zutraulicher, da sie hörte, ich sey Ihr Freund, und so gelang es mir un- vermerkt, sie von ihrem Kummer etwas abzu- ziehn, und eben die Freuden bey ihr zu genießen, die Sie mir damals so poetisch beschrieben ha- ben. -- Ich mag nichts weiter hinzusetzen. Lie- ber Freund, was ist der Mensch? Auch davon heut Abend ein Mehreres.
Thore in meinem Garten, wir wollen muͤndlich ein Mehreres daruͤber ſprechen, ſeit ich neulich Rom verlaſſen habe, habe ich vieles gelernt und erfahren, und manches iſt in meiner Seele wan- kend gemacht, was ich noch vor kurzem fuͤr fel- ſenfeſt hielt.
Ich habe Ihnen noch einen kleinen Vorfall nicht erzaͤhlt, den ich jetzt in der Eile nachho- len will. Ich ſprach Roſalinen im heftigſten Ausbruche ihres Kummers; ſie war wirklich ſchoͤn: bald ward ſie zutraulicher, da ſie hoͤrte, ich ſey Ihr Freund, und ſo gelang es mir un- vermerkt, ſie von ihrem Kummer etwas abzu- ziehn, und eben die Freuden bey ihr zu genießen, die Sie mir damals ſo poetiſch beſchrieben ha- ben. — Ich mag nichts weiter hinzuſetzen. Lie- ber Freund, was iſt der Menſch? Auch davon heut Abend ein Mehreres.
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Thore in meinem Garten, wir wollen muͤndlich
ein Mehreres daruͤber ſprechen, ſeit ich neulich
Rom verlaſſen habe, habe ich vieles gelernt und
erfahren, und manches iſt in meiner Seele wan-
kend gemacht, was ich noch vor kurzem fuͤr fel-
ſenfeſt hielt.
Ich habe Ihnen noch einen kleinen Vorfall
nicht erzaͤhlt, den ich jetzt in der Eile nachho-
len will. Ich ſprach Roſalinen im heftigſten
Ausbruche ihres Kummers; ſie war wirklich
ſchoͤn: bald ward ſie zutraulicher, da ſie hoͤrte,
ich ſey Ihr Freund, und ſo gelang es mir un-
vermerkt, ſie von ihrem Kummer etwas abzu-
ziehn, und eben die Freuden bey ihr zu genießen,
die Sie mir damals ſo poetiſch beſchrieben ha-
ben. — Ich mag nichts weiter hinzuſetzen. Lie-
ber Freund, was iſt der Menſch? Auch davon
heut Abend ein Mehreres.
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/221>, abgerufen am 23.11.2024.
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