ist keineswegs verächtlich und kann es nicht seyn, -- und doch streben wir unaufhörlich, sie uns selber abzuleugnen und sie mit unserer Ver- nunft in eins zu schmelzen, um nur in jedem der vorüberfliegenden Gefühle uns selbst achten zu können. Denn freilich ist nichts als Sinnlich- keit das erste bewegende Rad in unserer Ma- schine, sie wälzt unser Daseyn von der Stelle, und macht es froh und lebendig; ein Hebel, der in uns hineinreicht, und mit kleinen Gewich- ten große Lasten zieht. Alles, was wir als Schön und Edel träumen, greift hier hinein, Sinnlichkeit und Wollust sind der Geist der Musik, der Mahlerei und aller Künste, alle Wünsche der Menschen fliegen um diesen Pol, wie Mücken um das brennende Licht. Schön- heitssinn und Kunstgefühl sind nur andere Dia- lekte und Aussprachen, sie bezeichnen nichts wei- ter, als den Trieb des Menschen zur Wollust; an jeder reizenden Form, an jedem Bilde des Dichters weidet sich das trunkene Auge, die Gemählde, vor denen der Entzückte niederkniet, sind nichts als Einleitungen zum Sinnengenuß, jeder Klang, jedes schöngeworfene Gewand winkt ihn dorthin; daher sind Boccaz und Ariost
iſt keineswegs veraͤchtlich und kann es nicht ſeyn, — und doch ſtreben wir unaufhoͤrlich, ſie uns ſelber abzuleugnen und ſie mit unſerer Ver- nunft in eins zu ſchmelzen, um nur in jedem der voruͤberfliegenden Gefuͤhle uns ſelbſt achten zu koͤnnen. Denn freilich iſt nichts als Sinnlich- keit das erſte bewegende Rad in unſerer Ma- ſchine, ſie waͤlzt unſer Daſeyn von der Stelle, und macht es froh und lebendig; ein Hebel, der in uns hineinreicht, und mit kleinen Gewich- ten große Laſten zieht. Alles, was wir als Schoͤn und Edel traͤumen, greift hier hinein, Sinnlichkeit und Wolluſt ſind der Geiſt der Muſik, der Mahlerei und aller Kuͤnſte, alle Wuͤnſche der Menſchen fliegen um dieſen Pol, wie Muͤcken um das brennende Licht. Schoͤn- heitsſinn und Kunſtgefuͤhl ſind nur andere Dia- lekte und Ausſprachen, ſie bezeichnen nichts wei- ter, als den Trieb des Menſchen zur Wolluſt; an jeder reizenden Form, an jedem Bilde des Dichters weidet ſich das trunkene Auge, die Gemaͤhlde, vor denen der Entzuͤckte niederkniet, ſind nichts als Einleitungen zum Sinnengenuß, jeder Klang, jedes ſchoͤngeworfene Gewand winkt ihn dorthin; daher ſind Boccaz und Arioſt
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iſt keineswegs veraͤchtlich und kann es nicht
ſeyn, — und doch ſtreben wir unaufhoͤrlich, ſie
uns ſelber abzuleugnen und ſie mit unſerer Ver-
nunft in eins zu ſchmelzen, um nur in jedem der
voruͤberfliegenden Gefuͤhle uns ſelbſt achten zu
koͤnnen. Denn freilich iſt nichts als Sinnlich-
keit das erſte bewegende Rad in unſerer Ma-
ſchine, ſie waͤlzt unſer Daſeyn von der Stelle,
und macht es froh und lebendig; ein Hebel,
der in uns hineinreicht, und mit kleinen Gewich-
ten große Laſten zieht. Alles, was wir als
Schoͤn und Edel traͤumen, greift hier hinein,
Sinnlichkeit und Wolluſt ſind der Geiſt der
Muſik, der Mahlerei und aller Kuͤnſte, alle
Wuͤnſche der Menſchen fliegen um dieſen Pol,
wie Muͤcken um das brennende Licht. Schoͤn-
heitsſinn und Kunſtgefuͤhl ſind nur andere Dia-
lekte und Ausſprachen, ſie bezeichnen nichts wei-
ter, als den Trieb des Menſchen zur Wolluſt;
an jeder reizenden Form, an jedem Bilde des
Dichters weidet ſich das trunkene Auge, die
Gemaͤhlde, vor denen der Entzuͤckte niederkniet,
ſind nichts als Einleitungen zum Sinnengenuß,
jeder Klang, jedes ſchoͤngeworfene Gewand winkt
ihn dorthin; daher ſind Boccaz und Arioſt
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/24>, abgerufen am 23.11.2024.
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