neue Schwachheiten entdeckt, und dabey doch sieht, wie innig diese mit den Vortrefflichkeiten zusammenhängen, -- o so fühlt man sich fest an diese Erde gekettet, auf der man vorher nur Gast und Fremdling war. Der Baum, der schon verdorren will, und den der Gärtner nun plötz- lich in andere fruchtbare Erde setzt, so daß sich seine Wurzeln mit neuer Kraft ausstrecken und durch den Boden schlagen, diesem Baume muß ohngefähr so zu Muthe seyn, wie mir jetzt ge- gen ehedem in meinem freyen Stande war, als ich mich noch für nichts, als für mich selbst interessirte.
Lächeln Sie immerhin über mich, was thut es mir? Nennen Sie mich einen Schwärmer, und ich will Ihnen danken. Zeigen Sie mir den Menschen, der im Grunde nicht schwärmt, wenn er sich froh und glücklich fühlt.
Ich weiß es selbst recht gut, daß, so wenig ich auch eigentlicher enthusiastischer Verliebter bin, ich doch selbst nach einigen Monathen noch etwas kälter sprechen werde, als jetzt; aber wahr- lich blos darum, weil ich mich dann an mein Glück schon etwas gewöhnt habe, nicht, weil ich es weniger innig fühlen werde. -- Ach, wir wol-
Q 2
neue Schwachheiten entdeckt, und dabey doch ſieht, wie innig dieſe mit den Vortrefflichkeiten zuſammenhaͤngen, — o ſo fuͤhlt man ſich feſt an dieſe Erde gekettet, auf der man vorher nur Gaſt und Fremdling war. Der Baum, der ſchon verdorren will, und den der Gaͤrtner nun ploͤtz- lich in andere fruchtbare Erde ſetzt, ſo daß ſich ſeine Wurzeln mit neuer Kraft ausſtrecken und durch den Boden ſchlagen, dieſem Baume muß ohngefaͤhr ſo zu Muthe ſeyn, wie mir jetzt ge- gen ehedem in meinem freyen Stande war, als ich mich noch fuͤr nichts, als fuͤr mich ſelbſt intereſſirte.
Laͤcheln Sie immerhin uͤber mich, was thut es mir? Nennen Sie mich einen Schwaͤrmer, und ich will Ihnen danken. Zeigen Sie mir den Menſchen, der im Grunde nicht ſchwaͤrmt, wenn er ſich froh und gluͤcklich fuͤhlt.
Ich weiß es ſelbſt recht gut, daß, ſo wenig ich auch eigentlicher enthuſiaſtiſcher Verliebter bin, ich doch ſelbſt nach einigen Monathen noch etwas kaͤlter ſprechen werde, als jetzt; aber wahr- lich blos darum, weil ich mich dann an mein Gluͤck ſchon etwas gewoͤhnt habe, nicht, weil ich es weniger innig fuͤhlen werde. — Ach, wir wol-
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neue Schwachheiten entdeckt, und dabey doch
ſieht, wie innig dieſe mit den Vortrefflichkeiten
zuſammenhaͤngen, — o ſo fuͤhlt man ſich feſt
an dieſe Erde gekettet, auf der man vorher nur
Gaſt und Fremdling war. Der Baum, der ſchon
verdorren will, und den der Gaͤrtner nun ploͤtz-
lich in andere fruchtbare Erde ſetzt, ſo daß ſich
ſeine Wurzeln mit neuer Kraft ausſtrecken und
durch den Boden ſchlagen, dieſem Baume muß
ohngefaͤhr ſo zu Muthe ſeyn, wie mir jetzt ge-
gen ehedem in meinem freyen Stande war, als
ich mich noch fuͤr nichts, als fuͤr mich ſelbſt
intereſſirte.
Laͤcheln Sie immerhin uͤber mich, was thut
es mir? Nennen Sie mich einen Schwaͤrmer,
und ich will Ihnen danken. Zeigen Sie mir
den Menſchen, der im Grunde nicht ſchwaͤrmt,
wenn er ſich froh und gluͤcklich fuͤhlt.
Ich weiß es ſelbſt recht gut, daß, ſo wenig
ich auch eigentlicher enthuſiaſtiſcher Verliebter
bin, ich doch ſelbſt nach einigen Monathen noch
etwas kaͤlter ſprechen werde, als jetzt; aber wahr-
lich blos darum, weil ich mich dann an mein
Gluͤck ſchon etwas gewoͤhnt habe, nicht, weil ich
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/249>, abgerufen am 22.11.2024.
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