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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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18.
William Lovell an Rosa.


Ich habe zu Ihnen geschickt, und vom Bothen
leider vernehmen müssen, daß sie schon wieder
nach Tivoli abgereist sind, ich hätte Sie so
gern gesprochen und Ihren Rath und Beystand
erbeten.

Ich habe in dieser Nacht nur wenig geschla-
fen, und bin im Schlafe von unangenehmen
Träumen verfolgt. Ach Freund, ich kann Ih-
nen unmöglich sagen, was ich alles empfunden
und gelitten habe, mir ist, als wenn sich vom
gestrigen Abende eine Epoche durch mein ganzes
künftiges Leben ausstrecken würde, viele Ahn-
dungen sind mir näher getreten, und tausend
ungewisse Zweifel haben sich inniger mit meiner
Natur verbunden.

Ich gieng vor das Kapenische Thor. Der
letzte Schimmer der Abendröthe glänzte in dem
durchsichtigen Moose, das an den Ecken der
Gebäude hängt, alles umher vereinigte sich zu
großen Massen, und die Schatten kamen immer

Lovell. 2r Bd. T
18.
William Lovell an Roſa.


Ich habe zu Ihnen geſchickt, und vom Bothen
leider vernehmen muͤſſen, daß ſie ſchon wieder
nach Tivoli abgereiſt ſind, ich haͤtte Sie ſo
gern geſprochen und Ihren Rath und Beyſtand
erbeten.

Ich habe in dieſer Nacht nur wenig geſchla-
fen, und bin im Schlafe von unangenehmen
Traͤumen verfolgt. Ach Freund, ich kann Ih-
nen unmoͤglich ſagen, was ich alles empfunden
und gelitten habe, mir iſt, als wenn ſich vom
geſtrigen Abende eine Epoche durch mein ganzes
kuͤnftiges Leben ausſtrecken wuͤrde, viele Ahn-
dungen ſind mir naͤher getreten, und tauſend
ungewiſſe Zweifel haben ſich inniger mit meiner
Natur verbunden.

Ich gieng vor das Kapeniſche Thor. Der
letzte Schimmer der Abendroͤthe glaͤnzte in dem
durchſichtigen Mooſe, das an den Ecken der
Gebaͤude haͤngt, alles umher vereinigte ſich zu
großen Maſſen, und die Schatten kamen immer

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[289/0295] 18. William Lovell an Roſa. Rom. Ich habe zu Ihnen geſchickt, und vom Bothen leider vernehmen muͤſſen, daß ſie ſchon wieder nach Tivoli abgereiſt ſind, ich haͤtte Sie ſo gern geſprochen und Ihren Rath und Beyſtand erbeten. Ich habe in dieſer Nacht nur wenig geſchla- fen, und bin im Schlafe von unangenehmen Traͤumen verfolgt. Ach Freund, ich kann Ih- nen unmoͤglich ſagen, was ich alles empfunden und gelitten habe, mir iſt, als wenn ſich vom geſtrigen Abende eine Epoche durch mein ganzes kuͤnftiges Leben ausſtrecken wuͤrde, viele Ahn- dungen ſind mir naͤher getreten, und tauſend ungewiſſe Zweifel haben ſich inniger mit meiner Natur verbunden. Ich gieng vor das Kapeniſche Thor. Der letzte Schimmer der Abendroͤthe glaͤnzte in dem durchſichtigen Mooſe, das an den Ecken der Gebaͤude haͤngt, alles umher vereinigte ſich zu großen Maſſen, und die Schatten kamen immer Lovell. 2r Bd. T

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/295>, abgerufen am 21.11.2024.