Auch ich, lieber Lovell, fühle mich jetzt, ohne ihre Gesellschaft, einsam. Die Freundschaft wird unserer Seele schon darum ein unentbehrliches Bedürfniß, weil sie immer ein Herz sucht, dem sie sich ganz und in jeder Stunde mittheilen darf. Die Trennung unterbricht diese schöne Harmonie, denn die Briefe sind nur lahme und ungeschickte Boten, sie wissen die Stimmung nicht, in der sie uns antreffen, wenn sich im mündlichen Gespräche die Seelen fast unmittel- bar berühren. Ich kann mir Sie und den al- ten Andrea recht lebhaft bey einander denken, ich sehe Ihren Enthusiasmus, denn ich weiß es aus eigener Erfahrung, wie viel dieser Greis nur durch einige Worte auf unsere Seele ver- mag. Ich kenne auch das Räthselhafte und fast Furchtbare das ihn umgiebt, er erscheint uns in jeder Stunde in einer veränderten Gestalt und es kostet ihn nichts, sich und eine ganze Ge-
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23. Roſa an William Lovell.
Tivoli.
Auch ich, lieber Lovell, fuͤhle mich jetzt, ohne ihre Geſellſchaft, einſam. Die Freundſchaft wird unſerer Seele ſchon darum ein unentbehrliches Beduͤrfniß, weil ſie immer ein Herz ſucht, dem ſie ſich ganz und in jeder Stunde mittheilen darf. Die Trennung unterbricht dieſe ſchoͤne Harmonie, denn die Briefe ſind nur lahme und ungeſchickte Boten, ſie wiſſen die Stimmung nicht, in der ſie uns antreffen, wenn ſich im muͤndlichen Geſpraͤche die Seelen faſt unmittel- bar beruͤhren. Ich kann mir Sie und den al- ten Andrea recht lebhaft bey einander denken, ich ſehe Ihren Enthuſiasmus, denn ich weiß es aus eigener Erfahrung, wie viel dieſer Greis nur durch einige Worte auf unſere Seele ver- mag. Ich kenne auch das Raͤthſelhafte und faſt Furchtbare das ihn umgiebt, er erſcheint uns in jeder Stunde in einer veraͤnderten Geſtalt und es koſtet ihn nichts, ſich und eine ganze Ge-
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23.
Roſa an William Lovell.
Tivoli.
Auch ich, lieber Lovell, fuͤhle mich jetzt, ohne
ihre Geſellſchaft, einſam. Die Freundſchaft wird
unſerer Seele ſchon darum ein unentbehrliches
Beduͤrfniß, weil ſie immer ein Herz ſucht, dem
ſie ſich ganz und in jeder Stunde mittheilen
darf. Die Trennung unterbricht dieſe ſchoͤne
Harmonie, denn die Briefe ſind nur lahme und
ungeſchickte Boten, ſie wiſſen die Stimmung
nicht, in der ſie uns antreffen, wenn ſich im
muͤndlichen Geſpraͤche die Seelen faſt unmittel-
bar beruͤhren. Ich kann mir Sie und den al-
ten Andrea recht lebhaft bey einander denken,
ich ſehe Ihren Enthuſiasmus, denn ich weiß es
aus eigener Erfahrung, wie viel dieſer Greis
nur durch einige Worte auf unſere Seele ver-
mag. Ich kenne auch das Raͤthſelhafte und faſt
Furchtbare das ihn umgiebt, er erſcheint uns in
jeder Stunde in einer veraͤnderten Geſtalt und
es koſtet ihn nichts, ſich und eine ganze Ge-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/313>, abgerufen am 22.11.2024.
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