Tritten kamen zwey unbekannte Männer aus dem Gewölbe und fragten mich, was ich suche. Ihre unbekannte Gestalt, der feyerliche Ton ih- rer Stimme und eine kleine Blendlaterne, die nur mich und den einen von ihnen beleuchtete, machte mich schaudern. Ich fragte furchtsam nach dem Wege zur Stadt, und der eine von ihnen erbot sich, mich bis an das Thor zu bringen, der andre versprach so lange bey der Kirche zu warten.
Die kleine Laterne erhellte sparsam unsern Weg und Bäume und Stauden glitten uns, mit einem durchsichtigen Grün bekleidet, vorüber, mein Begleiter war stumm und ich ging wie im Traume hinter ihm. Jetzt waren wir nahe am Thore und der Mann mit der Laterne stand still; wir nahmen mit wenigen Worten Abschied nnd ein breiter Schimmer fiel auf sein Gesicht. Ich fuhr zusammen, denn es war ganz das blei- che Antlitz einer Leiche, die Augen waren wie weit hervorgetrieben, die Lippen blaß und wie in einem Todtenkrampfe verzerrt: ich glaubte ein Gespenst zu sehn, und erschrak nur noch inni- ger, als ich nach einigen Augenblicken die Züge Andrea's erkannte. Jetzt wandte er sich um,
Tritten kamen zwey unbekannte Maͤnner aus dem Gewoͤlbe und fragten mich, was ich ſuche. Ihre unbekannte Geſtalt, der feyerliche Ton ih- rer Stimme und eine kleine Blendlaterne, die nur mich und den einen von ihnen beleuchtete, machte mich ſchaudern. Ich fragte furchtſam nach dem Wege zur Stadt, und der eine von ihnen erbot ſich, mich bis an das Thor zu bringen, der andre verſprach ſo lange bey der Kirche zu warten.
Die kleine Laterne erhellte ſparſam unſern Weg und Baͤume und Stauden glitten uns, mit einem durchſichtigen Gruͤn bekleidet, voruͤber, mein Begleiter war ſtumm und ich ging wie im Traume hinter ihm. Jetzt waren wir nahe am Thore und der Mann mit der Laterne ſtand ſtill; wir nahmen mit wenigen Worten Abſchied nnd ein breiter Schimmer fiel auf ſein Geſicht. Ich fuhr zuſammen, denn es war ganz das blei- che Antlitz einer Leiche, die Augen waren wie weit hervorgetrieben, die Lippen blaß und wie in einem Todtenkrampfe verzerrt: ich glaubte ein Geſpenſt zu ſehn, und erſchrak nur noch inni- ger, als ich nach einigen Augenblicken die Zuͤge Andrea’s erkannte. Jetzt wandte er ſich um,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0323"n="317"/>
Tritten kamen zwey unbekannte Maͤnner aus<lb/>
dem Gewoͤlbe und fragten mich, was ich ſuche.<lb/>
Ihre unbekannte Geſtalt, der feyerliche Ton ih-<lb/>
rer Stimme und eine kleine Blendlaterne, die<lb/>
nur mich und den einen von ihnen beleuchtete,<lb/>
machte mich ſchaudern. Ich fragte furchtſam<lb/>
nach dem Wege zur Stadt, und der eine von<lb/>
ihnen erbot ſich, mich bis an das Thor zu<lb/>
bringen, der andre verſprach ſo lange bey der<lb/>
Kirche zu warten.</p><lb/><p>Die kleine Laterne erhellte ſparſam <choice><sic>unſerm</sic><corr>unſern</corr></choice><lb/>
Weg und <choice><sic>Baͤnme</sic><corr>Baͤume</corr></choice> und Stauden glitten uns,<lb/>
mit einem durchſichtigen Gruͤn bekleidet, voruͤber,<lb/>
mein Begleiter war ſtumm und ich ging wie<lb/>
im Traume hinter ihm. Jetzt waren wir nahe<lb/>
am Thore und der Mann mit der Laterne ſtand<lb/>ſtill; wir nahmen mit wenigen Worten Abſchied<lb/>
nnd ein breiter Schimmer fiel auf ſein Geſicht.<lb/>
Ich fuhr zuſammen, denn es war ganz das blei-<lb/>
che Antlitz einer Leiche, die Augen waren wie<lb/>
weit hervorgetrieben, die Lippen blaß und wie<lb/>
in einem Todtenkrampfe verzerrt: ich glaubte ein<lb/>
Geſpenſt zu ſehn, und erſchrak nur noch inni-<lb/>
ger, als ich nach einigen Augenblicken die Zuͤge<lb/><hirendition="#g">Andrea’s</hi> erkannte. Jetzt wandte er ſich um,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[317/0323]
Tritten kamen zwey unbekannte Maͤnner aus
dem Gewoͤlbe und fragten mich, was ich ſuche.
Ihre unbekannte Geſtalt, der feyerliche Ton ih-
rer Stimme und eine kleine Blendlaterne, die
nur mich und den einen von ihnen beleuchtete,
machte mich ſchaudern. Ich fragte furchtſam
nach dem Wege zur Stadt, und der eine von
ihnen erbot ſich, mich bis an das Thor zu
bringen, der andre verſprach ſo lange bey der
Kirche zu warten.
Die kleine Laterne erhellte ſparſam unſern
Weg und Baͤume und Stauden glitten uns,
mit einem durchſichtigen Gruͤn bekleidet, voruͤber,
mein Begleiter war ſtumm und ich ging wie
im Traume hinter ihm. Jetzt waren wir nahe
am Thore und der Mann mit der Laterne ſtand
ſtill; wir nahmen mit wenigen Worten Abſchied
nnd ein breiter Schimmer fiel auf ſein Geſicht.
Ich fuhr zuſammen, denn es war ganz das blei-
che Antlitz einer Leiche, die Augen waren wie
weit hervorgetrieben, die Lippen blaß und wie
in einem Todtenkrampfe verzerrt: ich glaubte ein
Geſpenſt zu ſehn, und erſchrak nur noch inni-
ger, als ich nach einigen Augenblicken die Zuͤge
Andrea’s erkannte. Jetzt wandte er ſich um,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/323>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.