Heut scheint die Sonne freundlich und ich den- ke an Deinen Nahmen, denn er ist wie blauer Himmel. Da war mir, als hört' ich Deinen Gang hinter mir in den Gebüschen und ich sah mich um. Aber der Wind kletterte nur in den Bäumen umher, und pflückte einige reife Blät- ter, die er der Erde, seiner Mutter, zum Ver- zehren hinlegte. Nun hab' ich noch in meiner Schreibtafel ein Blatt Papier und ich will es nehmen, und jetzt mit Dir sprechen; vielleicht findet sich einst ein Mann, der es zu Dir hin- überträgt.
Wechselnd gehn des Baches Wogen Und er fließet immer zu, Ohne Rast und ohne Ruh, Fühlt er sich hinabgezogen, Seinem dunkeln Abgrund zu.
Also auch des Menschen Leben, Liebe, Tanz und Saft der Reben Sind die Wellenmelodie, Sie verstummt spa[e]t oder früh.
32. Balder an William Lovell.
Heut ſcheint die Sonne freundlich und ich den- ke an Deinen Nahmen, denn er iſt wie blauer Himmel. Da war mir, als hoͤrt’ ich Deinen Gang hinter mir in den Gebuͤſchen und ich ſah mich um. Aber der Wind kletterte nur in den Baͤumen umher, und pfluͤckte einige reife Blaͤt- ter, die er der Erde, ſeiner Mutter, zum Ver- zehren hinlegte. Nun hab’ ich noch in meiner Schreibtafel ein Blatt Papier und ich will es nehmen, und jetzt mit Dir ſprechen; vielleicht findet ſich einſt ein Mann, der es zu Dir hin- uͤbertraͤgt.
Wechſelnd gehn des Baches Wogen Und er fließet immer zu, Ohne Raſt und ohne Ruh, Fühlt er ſich hinabgezogen, Seinem dunkeln Abgrund zu.
Alſo auch des Menſchen Leben, Liebe, Tanz und Saft der Reben Sind die Wellenmelodie, Sie verſtummt ſpa[ͤ]t oder früh.
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32.
Balder an William Lovell.
Heut ſcheint die Sonne freundlich und ich den-
ke an Deinen Nahmen, denn er iſt wie blauer
Himmel. Da war mir, als hoͤrt’ ich Deinen
Gang hinter mir in den Gebuͤſchen und ich ſah
mich um. Aber der Wind kletterte nur in den
Baͤumen umher, und pfluͤckte einige reife Blaͤt-
ter, die er der Erde, ſeiner Mutter, zum Ver-
zehren hinlegte. Nun hab’ ich noch in meiner
Schreibtafel ein Blatt Papier und ich will es
nehmen, und jetzt mit Dir ſprechen; vielleicht
findet ſich einſt ein Mann, der es zu Dir hin-
uͤbertraͤgt.
Wechſelnd gehn des Baches Wogen
Und er fließet immer zu,
Ohne Raſt und ohne Ruh,
Fühlt er ſich hinabgezogen,
Seinem dunkeln Abgrund zu.
Alſo auch des Menſchen Leben,
Liebe, Tanz und Saft der Reben
Sind die Wellenmelodie,
Sie verſtummt ſpaͤt oder früh.
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/349>, abgerufen am 21.11.2024.
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