Von den großen Dingen, die ich weiß, kann und darf ich Dir nichts schreiben. Es ist bloß darum ein Geheimniß, weil Du es nicht ver stehn würdest.
Den Nahmen Gottes denen nennen, Die ihn nicht mit dem Herzen kennen, Ist Missethat. Es hängen um mich Geisterchöre, Und sprechen laut, daß ich es höre; -- Sie halten Rath. "Laß Mensch jetzt deine Zunge schweigen, "Bis sich die runden Jahre neigen," So tönt's herab; "Was willst du vor der Zeit enthüllen? "Den Durst nach dieser Weisheit stillen "Ja Tod und Grab!"
Und so will ich denn lieber enden, um mir kein Mißfallen zuzuziehn.
Lebe wohl, William, so schreibe ich hier in meinen Bergen. -- Die Stauden winken mir, zu ihnen zu kommen, und ein Wort mit ihnen zu sprechen, denn sie halten alle viel von mir; meinen Rosen muß ich noch Wasser zu trinken geben, und dann muß ich die kranke Pappel besuchen, die der Wind eingeknickt hat. Es ist ganz mein freyer Wille, aber ich habe es mir selbst zum Gesetze gemacht; ich helfe ihnen
Von den großen Dingen, die ich weiß, kann und darf ich Dir nichts ſchreiben. Es iſt bloß darum ein Geheimniß, weil Du es nicht ver ſtehn wuͤrdeſt.
Den Nahmen Gottes denen nennen, Die ihn nicht mit dem Herzen kennen, Iſt Miſſethat. Es hängen um mich Geiſterchöre, Und ſprechen laut, daß ich es höre; — Sie halten Rath. »Laß Menſch jetzt deine Zunge ſchweigen, »Bis ſich die runden Jahre neigen,« So tönt’s herab; »Was willſt du vor der Zeit enthüllen? »Den Durſt nach dieſer Weisheit ſtillen »Ja Tod und Grab!«
Und ſo will ich denn lieber enden, um mir kein Mißfallen zuzuziehn.
Lebe wohl, William, ſo ſchreibe ich hier in meinen Bergen. — Die Stauden winken mir, zu ihnen zu kommen, und ein Wort mit ihnen zu ſprechen, denn ſie halten alle viel von mir; meinen Roſen muß ich noch Waſſer zu trinken geben, und dann muß ich die kranke Pappel beſuchen, die der Wind eingeknickt hat. Es iſt ganz mein freyer Wille, aber ich habe es mir ſelbſt zum Geſetze gemacht; ich helfe ihnen
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Von den großen Dingen, die ich weiß, kann
und darf ich Dir nichts ſchreiben. Es iſt bloß
darum ein Geheimniß, weil Du es nicht ver
ſtehn wuͤrdeſt.
Den Nahmen Gottes denen nennen,
Die ihn nicht mit dem Herzen kennen,
Iſt Miſſethat.
Es hängen um mich Geiſterchöre,
Und ſprechen laut, daß ich es höre; —
Sie halten Rath.
»Laß Menſch jetzt deine Zunge ſchweigen,
»Bis ſich die runden Jahre neigen,«
So tönt’s herab;
»Was willſt du vor der Zeit enthüllen?
»Den Durſt nach dieſer Weisheit ſtillen
»Ja Tod und Grab!«
Und ſo will ich denn lieber enden, um mir
kein Mißfallen zuzuziehn.
Lebe wohl, William, ſo ſchreibe ich hier in
meinen Bergen. — Die Stauden winken mir,
zu ihnen zu kommen, und ein Wort mit ihnen
zu ſprechen, denn ſie halten alle viel von mir;
meinen Roſen muß ich noch Waſſer zu trinken
geben, und dann muß ich die kranke Pappel
beſuchen, die der Wind eingeknickt hat. Es
iſt ganz mein freyer Wille, aber ich habe es
mir ſelbſt zum Geſetze gemacht; ich helfe ihnen
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/356>, abgerufen am 23.11.2024.
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