Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn ich mir meine neugierige Seele den-
ke, die so in schweren unbeholfenen Fesseln sitzt,
und doch gern manches Neue lernen und erfah-
ren möchte, so bekomme ich ein ordentliches
Mitleiden mit mir selber. Als ich noch zuwei-
len weit zu Fuße ging, nahm ich mir vor, den
größten Theil der Welt recht genau zu betrach-
ten
, und jetzt habe ich nun alles im verjüngten
Maaßstabe, in Kupferstichen vor mir und muß
mich daran begnügen. -- Doch, was hat man
von einer ganzen Reise, wenn man wieder
kömmt?

Trinken Sie ja nicht gleich kalt Wasser,
wenn Sie aus dem Wagen oder vom Pferde
steigen, denn ich habe es aus eigner Erfahrung,
daß das sehr schädlich ist.

Bleiben Sie einem Frauenzimmer zu gefal-
len nie einen Tag länger an einen Orte; man
hat nur Undank davon.

Lassen Sie fleißig nachsehn ob keine Linse
am Wagen fehlt, damit Ihnen nicht plötzlich
ein Rad abläuft und Sie einen gewaltigen
Stoß bekommen.

Nehmen Sie auf jeden Fall einige Flaschen
vorzüglich guten Wein mit, man weiß sonst

Lovell. 2r Bd. B b

Wenn ich mir meine neugierige Seele den-
ke, die ſo in ſchweren unbeholfenen Feſſeln ſitzt,
und doch gern manches Neue lernen und erfah-
ren moͤchte, ſo bekomme ich ein ordentliches
Mitleiden mit mir ſelber. Als ich noch zuwei-
len weit zu Fuße ging, nahm ich mir vor, den
groͤßten Theil der Welt recht genau zu betrach-
ten
, und jetzt habe ich nun alles im verjuͤngten
Maaßſtabe, in Kupferſtichen vor mir und muß
mich daran begnuͤgen. — Doch, was hat man
von einer ganzen Reiſe, wenn man wieder
koͤmmt?

Trinken Sie ja nicht gleich kalt Waſſer,
wenn Sie aus dem Wagen oder vom Pferde
ſteigen, denn ich habe es aus eigner Erfahrung,
daß das ſehr ſchaͤdlich iſt.

Bleiben Sie einem Frauenzimmer zu gefal-
len nie einen Tag laͤnger an einen Orte; man
hat nur Undank davon.

Laſſen Sie fleißig nachſehn ob keine Linſe
am Wagen fehlt, damit Ihnen nicht ploͤtzlich
ein Rad ablaͤuft und Sie einen gewaltigen
Stoß bekommen.

Nehmen Sie auf jeden Fall einige Flaſchen
vorzuͤglich guten Wein mit, man weiß ſonſt

Lovell. 2r Bd. B b
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0391" n="385"/>
          <p>Wenn ich mir meine neugierige Seele den-<lb/>
ke, die &#x017F;o in &#x017F;chweren unbeholfenen Fe&#x017F;&#x017F;eln &#x017F;itzt,<lb/>
und doch gern manches Neue lernen und erfah-<lb/>
ren mo&#x0364;chte, &#x017F;o bekomme ich ein ordentliches<lb/>
Mitleiden mit mir &#x017F;elber. Als ich noch zuwei-<lb/>
len weit zu Fuße ging, nahm ich mir vor, den<lb/>
gro&#x0364;ßten Theil der Welt recht genau zu <choice><sic>berrach-<lb/>
ten</sic><corr>betrach-<lb/>
ten</corr></choice>, und jetzt habe ich nun alles im verju&#x0364;ngten<lb/>
Maaß&#x017F;tabe, in Kupfer&#x017F;tichen vor mir und muß<lb/>
mich daran begnu&#x0364;gen. &#x2014; Doch, was hat man<lb/>
von einer ganzen Rei&#x017F;e, wenn man wieder<lb/>
ko&#x0364;mmt?</p><lb/>
          <p>Trinken Sie ja nicht gleich kalt Wa&#x017F;&#x017F;er,<lb/>
wenn Sie aus dem Wagen oder vom Pferde<lb/>
&#x017F;teigen, denn ich habe es aus eigner Erfahrung,<lb/>
daß das &#x017F;ehr &#x017F;cha&#x0364;dlich i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Bleiben Sie einem Frauenzimmer zu gefal-<lb/>
len nie einen Tag la&#x0364;nger an einen Orte; man<lb/>
hat nur Undank davon.</p><lb/>
          <p>La&#x017F;&#x017F;en Sie fleißig nach&#x017F;ehn ob keine Lin&#x017F;e<lb/>
am Wagen fehlt, damit Ihnen nicht plo&#x0364;tzlich<lb/>
ein Rad abla&#x0364;uft und Sie einen gewaltigen<lb/>
Stoß bekommen.</p><lb/>
          <p>Nehmen Sie auf jeden Fall einige Fla&#x017F;chen<lb/>
vorzu&#x0364;glich guten Wein mit, man weiß &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Lovell. 2r Bd. B b</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[385/0391] Wenn ich mir meine neugierige Seele den- ke, die ſo in ſchweren unbeholfenen Feſſeln ſitzt, und doch gern manches Neue lernen und erfah- ren moͤchte, ſo bekomme ich ein ordentliches Mitleiden mit mir ſelber. Als ich noch zuwei- len weit zu Fuße ging, nahm ich mir vor, den groͤßten Theil der Welt recht genau zu betrach- ten, und jetzt habe ich nun alles im verjuͤngten Maaßſtabe, in Kupferſtichen vor mir und muß mich daran begnuͤgen. — Doch, was hat man von einer ganzen Reiſe, wenn man wieder koͤmmt? Trinken Sie ja nicht gleich kalt Waſſer, wenn Sie aus dem Wagen oder vom Pferde ſteigen, denn ich habe es aus eigner Erfahrung, daß das ſehr ſchaͤdlich iſt. Bleiben Sie einem Frauenzimmer zu gefal- len nie einen Tag laͤnger an einen Orte; man hat nur Undank davon. Laſſen Sie fleißig nachſehn ob keine Linſe am Wagen fehlt, damit Ihnen nicht ploͤtzlich ein Rad ablaͤuft und Sie einen gewaltigen Stoß bekommen. Nehmen Sie auf jeden Fall einige Flaſchen vorzuͤglich guten Wein mit, man weiß ſonſt Lovell. 2r Bd. B b

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/391
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/391>, abgerufen am 23.11.2024.