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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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se, vielleicht nie, oder mit ganz ungeänderten
Gefühlen wiedersehe. -- Und kann man denn
allenthalben zugleich und allenthalben der nem-
liche seyn? Oder sollen wir ewig von einem Or-
te zum andern ziehn, -- ach Rosa, ich bin sehr
unzufrieden und verdrüßlich! -- grüßen Sie
Andrea und alle meine Freunde herzlich, seyn
Sie versichert, daß ich zurückkehre, so bald es
möglich ist.

In den wildesten Gegenden der Piemontesi-
schen Gebürge fühlte ich mich oft auf eine selt-
same Art glücklich, ich dachte an den Vorfall
mit den Räubern, der mir vor ohngefähr an-
derthalb Jahren hier begegnete. Ich glaubte
oft, daß Balder jetzt aus einem dunkeln Ge-
birgpfad heraustreten müßte, oder daß Nie-
mand anders als Amalie in der Kutsche vor
mir fahren könne, oft hatten auch die Gesich-
ter, denen ich begegnete, eine auffallende Aehn-
lichkeit
mit jenen, die ich suchte. Ich weiß
selbst nicht, was mich zu so seltsamen Erwar-
tungen stimmte, noch weniger warum ich es so
innig wünschte, daß meine Träume zur Wirk-
lichkeit werden möchten.


ſe, vielleicht nie, oder mit ganz ungeaͤnderten
Gefuͤhlen wiederſehe. — Und kann man denn
allenthalben zugleich und allenthalben der nem-
liche ſeyn? Oder ſollen wir ewig von einem Or-
te zum andern ziehn, — ach Roſa, ich bin ſehr
unzufrieden und verdruͤßlich! — gruͤßen Sie
Andrea und alle meine Freunde herzlich, ſeyn
Sie verſichert, daß ich zuruͤckkehre, ſo bald es
moͤglich iſt.

In den wildeſten Gegenden der Piemonteſi-
ſchen Gebuͤrge fuͤhlte ich mich oft auf eine ſelt-
ſame Art gluͤcklich, ich dachte an den Vorfall
mit den Raͤubern, der mir vor ohngefaͤhr an-
derthalb Jahren hier begegnete. Ich glaubte
oft, daß Balder jetzt aus einem dunkeln Ge-
birgpfad heraustreten muͤßte, oder daß Nie-
mand anders als Amalie in der Kutſche vor
mir fahren koͤnne, oft hatten auch die Geſich-
ter, denen ich begegnete, eine auffallende Aehn-
lichkeit
mit jenen, die ich ſuchte. Ich weiß
ſelbſt nicht, was mich zu ſo ſeltſamen Erwar-
tungen ſtimmte, noch weniger warum ich es ſo
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lichkeit werden moͤchten.


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[391/0397] ſe, vielleicht nie, oder mit ganz ungeaͤnderten Gefuͤhlen wiederſehe. — Und kann man denn allenthalben zugleich und allenthalben der nem- liche ſeyn? Oder ſollen wir ewig von einem Or- te zum andern ziehn, — ach Roſa, ich bin ſehr unzufrieden und verdruͤßlich! — gruͤßen Sie Andrea und alle meine Freunde herzlich, ſeyn Sie verſichert, daß ich zuruͤckkehre, ſo bald es moͤglich iſt. In den wildeſten Gegenden der Piemonteſi- ſchen Gebuͤrge fuͤhlte ich mich oft auf eine ſelt- ſame Art gluͤcklich, ich dachte an den Vorfall mit den Raͤubern, der mir vor ohngefaͤhr an- derthalb Jahren hier begegnete. Ich glaubte oft, daß Balder jetzt aus einem dunkeln Ge- birgpfad heraustreten muͤßte, oder daß Nie- mand anders als Amalie in der Kutſche vor mir fahren koͤnne, oft hatten auch die Geſich- ter, denen ich begegnete, eine auffallende Aehn- lichkeit mit jenen, die ich ſuchte. Ich weiß ſelbſt nicht, was mich zu ſo ſeltſamen Erwar- tungen ſtimmte, noch weniger warum ich es ſo innig wuͤnſchte, daß meine Traͤume zur Wirk- lichkeit werden moͤchten.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/397>, abgerufen am 22.11.2024.