Lassen Sie mich Ihnen einige Empfindungen mittheilen, hie ich nicht unterlassen konnte, im Wagen niederzuschreiben.
Mit trüben Auge In finstrer Nacht, Geht durch das Leben Das Kind geleitet Vom ernsten Führer, Den es nicht kennt. Im Thal, am lauten Wasserfall Stehn beyde Wandrer still, Der Führer spricht zum Horchenden: Sieh, hier blühen alle Blumen, Alle Wünsche, alle Freuden, Pflücke, denn wie fließend Wasser Rauscht das Leben Dir vorüber. Fort weicht die Gestalt Und tiefbekümmert Sieht ihr mit langem Blicke Der einsam Verlassene schmachtend nach. Wind säuselt in den Blumen, Wellen murmeln so wie zum frölichen Tanz, Da beugt sich der Fremdling Und mäht mit raschen zitternden Händen Die kleine Stelle Auf der er steht. Und Blumen und Gräser Und giftiges Unkraut Und stachlicht Gewürme
Laſſen Sie mich Ihnen einige Empfindungen mittheilen, hie ich nicht unterlaſſen konnte, im Wagen niederzuſchreiben.
Mit truͤben Auge In finſtrer Nacht, Geht durch das Leben Das Kind geleitet Vom ernſten Fuͤhrer, Den es nicht kennt. Im Thal, am lauten Waſſerfall Stehn beyde Wandrer ſtill, Der Fuͤhrer ſpricht zum Horchenden: Sieh, hier bluͤhen alle Blumen, Alle Wuͤnſche, alle Freuden, Pfluͤcke, denn wie fließend Waſſer Rauſcht das Leben Dir voruͤber. Fort weicht die Geſtalt Und tiefbekuͤmmert Sieht ihr mit langem Blicke Der einſam Verlaſſene ſchmachtend nach. Wind ſaͤuſelt in den Blumen, Wellen murmeln ſo wie zum froͤlichen Tanz, Da beugt ſich der Fremdling Und maͤht mit raſchen zitternden Haͤnden Die kleine Stelle Auf der er ſteht. Und Blumen und Graͤſer Und giftiges Unkraut Und ſtachlicht Gewuͤrme
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Laſſen Sie mich Ihnen einige Empfindungen
mittheilen, hie ich nicht unterlaſſen konnte, im
Wagen niederzuſchreiben.
Mit truͤben Auge
In finſtrer Nacht,
Geht durch das Leben
Das Kind geleitet
Vom ernſten Fuͤhrer,
Den es nicht kennt.
Im Thal, am lauten Waſſerfall
Stehn beyde Wandrer ſtill,
Der Fuͤhrer ſpricht zum Horchenden:
Sieh, hier bluͤhen alle Blumen,
Alle Wuͤnſche, alle Freuden,
Pfluͤcke, denn wie fließend Waſſer
Rauſcht das Leben Dir voruͤber.
Fort weicht die Geſtalt
Und tiefbekuͤmmert
Sieht ihr mit langem Blicke
Der einſam Verlaſſene ſchmachtend nach.
Wind ſaͤuſelt in den Blumen,
Wellen murmeln ſo wie zum froͤlichen Tanz,
Da beugt ſich der Fremdling
Und maͤht mit raſchen zitternden Haͤnden
Die kleine Stelle
Auf der er ſteht.
Und Blumen und Graͤſer
Und giftiges Unkraut
Und ſtachlicht Gewuͤrme
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/398>, abgerufen am 26.06.2024.
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