che Seite ausfindig zu machen. Die Menschen die meinem Vater viel zu danken haben, ziehen sich ganz zurück, und thun als wenn er nie auf der Erde gewesen wäre. Alte Weiber, die mich als Kind manchmal auf ihren Schoos ge- nommen haben, präsentiren mir ihre Töchter, die sich mit allen Reizen aussteuern. Die Be- dienten haben Pensionen und sind froh, selbst der Verwalter dem etwas an seinem Gehalte zugelegt ist. -- Wo sind denn nun die Men- schen, die so viel fühlen wollten? Wer kann denn nun noch mit seinen Empfindungen prah- len? -- Ein Bettler geht unten vorbey den ich weinen sehe, weil mein Vater ihm wöchent- lich etwas gab. Er weint weil er fürchtet, daß er jetzt sein Einkommen einbüßen wird. -- -- Ich habe ihm etwas heruntergeschickt, und er geht mit einem frohen Gesichte fort; er weinte vielleicht blos um mein Mitleiden zu erregen.
Die Menschen sind gewiß nicht werth, daß man sie achtet, aber doch muß man sich die Mühe geben, mit ihnen zu leben. Ich will sie kennen lernen, um nicht von ihnen betrogen zu werden, denn wie kann ich dafür stehen, daß nicht irgend einmal meine Eitelkeit, oder ir-
che Seite ausfindig zu machen. Die Menſchen die meinem Vater viel zu danken haben, ziehen ſich ganz zuruͤck, und thun als wenn er nie auf der Erde geweſen waͤre. Alte Weiber, die mich als Kind manchmal auf ihren Schoos ge- nommen haben, praͤſentiren mir ihre Toͤchter, die ſich mit allen Reizen ausſteuern. Die Be- dienten haben Penſionen und ſind froh, ſelbſt der Verwalter dem etwas an ſeinem Gehalte zugelegt iſt. — Wo ſind denn nun die Men- ſchen, die ſo viel fuͤhlen wollten? Wer kann denn nun noch mit ſeinen Empfindungen prah- len? — Ein Bettler geht unten vorbey den ich weinen ſehe, weil mein Vater ihm woͤchent- lich etwas gab. Er weint weil er fuͤrchtet, daß er jetzt ſein Einkommen einbuͤßen wird. — — Ich habe ihm etwas heruntergeſchickt, und er geht mit einem frohen Geſichte fort; er weinte vielleicht blos um mein Mitleiden zu erregen.
Die Menſchen ſind gewiß nicht werth, daß man ſie achtet, aber doch muß man ſich die Muͤhe geben, mit ihnen zu leben. Ich will ſie kennen lernen, um nicht von ihnen betrogen zu werden, denn wie kann ich dafuͤr ſtehen, daß nicht irgend einmal meine Eitelkeit, oder ir-
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che Seite ausfindig zu machen. Die Menſchen
die meinem Vater viel zu danken haben, ziehen
ſich ganz zuruͤck, und thun als wenn er nie auf
der Erde geweſen waͤre. Alte Weiber, die
mich als Kind manchmal auf ihren Schoos ge-
nommen haben, praͤſentiren mir ihre Toͤchter,
die ſich mit allen Reizen ausſteuern. Die Be-
dienten haben Penſionen und ſind froh, ſelbſt
der Verwalter dem etwas an ſeinem Gehalte
zugelegt iſt. — Wo ſind denn nun die Men-
ſchen, die ſo viel fuͤhlen wollten? Wer kann
denn nun noch mit ſeinen Empfindungen prah-
len? — Ein Bettler geht unten vorbey den
ich weinen ſehe, weil mein Vater ihm woͤchent-
lich etwas gab. Er weint weil er fuͤrchtet, daß
er jetzt ſein Einkommen einbuͤßen wird. — —
Ich habe ihm etwas heruntergeſchickt, und er
geht mit einem frohen Geſichte fort; er weinte
vielleicht blos um mein Mitleiden zu erregen.
Die Menſchen ſind gewiß nicht werth, daß
man ſie achtet, aber doch muß man ſich die
Muͤhe geben, mit ihnen zu leben. Ich will ſie
kennen lernen, um nicht von ihnen betrogen zu
werden, denn wie kann ich dafuͤr ſtehen, daß
nicht irgend einmal meine Eitelkeit, oder ir-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/410>, abgerufen am 09.11.2024.
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