er nur noch für seine eigene Sicherheit stritt, und aus dem Wege räumte was ihn in seinem Gange hindern könnte. Er mußte sich gleich groß und gleich wunderbar vorkommen, er moch- te sich nun als einen Liebling des Himmels be- trachten, oder als einen Helden, der alles durch seine eigene Kraft gewonnen, und in Besitz genommen hatte, ja, diese beyden Ge- danken mußten sich in seinem Kopfe beynahe begegnen. Er vertraute sich jetzt mehr als je- mals, und trauete den Menschen die ihn um- gaben noch weniger als vordem. Fortuna hat- te ihre volle Urne gleichsam in seinen Schoos geschüttet, und er glaubte nun selbst an ihrer Stelle zu stehen; sein Stolz und seine Eigen- liebe, die Bewundrung seiner selbst ist daher eben so denkbar als verzeihlich.
Er konnte gegen seine Freunde nicht dank- bar seyn, denn er glaubte durch eigene Kraft alles errungen zu haben, er konnte sie nicht achten, da er sie nicht kannte. Ihre Vereh- rung seiner aber, so wenig Autorität sie auch für ihn hätte haben sollen, trug er doch gern und ganz zu seinen Verdiensten über, denn de- nen Menschen die uns loben, übertragen wir
er nur noch fuͤr ſeine eigene Sicherheit ſtritt, und aus dem Wege raͤumte was ihn in ſeinem Gange hindern koͤnnte. Er mußte ſich gleich groß und gleich wunderbar vorkommen, er moch- te ſich nun als einen Liebling des Himmels be- trachten, oder als einen Helden, der alles durch ſeine eigene Kraft gewonnen, und in Beſitz genommen hatte, ja, dieſe beyden Ge- danken mußten ſich in ſeinem Kopfe beynahe begegnen. Er vertraute ſich jetzt mehr als je- mals, und trauete den Menſchen die ihn um- gaben noch weniger als vordem. Fortuna hat- te ihre volle Urne gleichſam in ſeinen Schoos geſchuͤttet, und er glaubte nun ſelbſt an ihrer Stelle zu ſtehen; ſein Stolz und ſeine Eigen- liebe, die Bewundrung ſeiner ſelbſt iſt daher eben ſo denkbar als verzeihlich.
Er konnte gegen ſeine Freunde nicht dank- bar ſeyn, denn er glaubte durch eigene Kraft alles errungen zu haben, er konnte ſie nicht achten, da er ſie nicht kannte. Ihre Vereh- rung ſeiner aber, ſo wenig Autoritaͤt ſie auch fuͤr ihn haͤtte haben ſollen, trug er doch gern und ganz zu ſeinen Verdienſten uͤber, denn de- nen Menſchen die uns loben, uͤbertragen wir
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er nur noch fuͤr ſeine eigene Sicherheit ſtritt,
und aus dem Wege raͤumte was ihn in ſeinem
Gange hindern koͤnnte. Er mußte ſich gleich
groß und gleich wunderbar vorkommen, er moch-
te ſich nun als einen Liebling des Himmels be-
trachten, oder als einen Helden, der alles
durch ſeine eigene Kraft gewonnen, und in
Beſitz genommen hatte, ja, dieſe beyden Ge-
danken mußten ſich in ſeinem Kopfe beynahe
begegnen. Er vertraute ſich jetzt mehr als je-
mals, und trauete den Menſchen die ihn um-
gaben noch weniger als vordem. Fortuna hat-
te ihre volle Urne gleichſam in ſeinen Schoos
geſchuͤttet, und er glaubte nun ſelbſt an ihrer
Stelle zu ſtehen; ſein Stolz und ſeine Eigen-
liebe, die Bewundrung ſeiner ſelbſt iſt daher
eben ſo denkbar als verzeihlich.
Er konnte gegen ſeine Freunde nicht dank-
bar ſeyn, denn er glaubte durch eigene Kraft
alles errungen zu haben, er konnte ſie nicht
achten, da er ſie nicht kannte. Ihre Vereh-
rung ſeiner aber, ſo wenig Autoritaͤt ſie auch
fuͤr ihn haͤtte haben ſollen, trug er doch gern
und ganz zu ſeinen Verdienſten uͤber, denn de-
nen Menſchen die uns loben, uͤbertragen wir
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/420>, abgerufen am 09.11.2024.
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