Die Menschen sind Narren, denn obgleich einer den andern betrügt, so nehmen sie doch nichts so sehr übel, als daß sie betrogen wer- den, besonders wenn man sie auf eine andre Art hintergeht, als sie die übrigen Menschen täuschen. Lovell ist mein unversöhnlicher Feind, wenn er erfährt, daß ich mit daran arbeiten half, ihm seine zärtliche Braut zu entführen, und er würde es nie zur Entschuldigung dienen lassen, daß Waterlov auch mein Freund und sogar mein Oheim sey. -- Aber da der ganze Plan doch verunglückt ist, so denke ich mich auf jeden Fall wieder mit ihm zu versöhnen.
Aber Waterlov, ob er gleich mein Oheim ist, ob er gleich älter ist, wie ich glaube, als vierzig Jahre, ob er gleich schon große Reisen gemacht hat, ist dennoch ein weit größerer und in die Augen fallenderer Narr, als der jugend- liche Lovell. Er glaubt alles zu haben, indem er Witz hat, er meint die Menschen genug zu kennen, wenn er nur weiß, wodurch er sie zum Lachen bewegen kann, er wäre vielleicht ein gu- ter Komödiendichter geworden, aber zum Um- gange mit Menschen ist er verdorben. -- Er
Lovell. 2r. Bd. D d
Drey Jahre nachher.
Die Menſchen ſind Narren, denn obgleich einer den andern betruͤgt, ſo nehmen ſie doch nichts ſo ſehr uͤbel, als daß ſie betrogen wer- den, beſonders wenn man ſie auf eine andre Art hintergeht, als ſie die uͤbrigen Menſchen taͤuſchen. Lovell iſt mein unverſoͤhnlicher Feind, wenn er erfaͤhrt, daß ich mit daran arbeiten half, ihm ſeine zaͤrtliche Braut zu entfuͤhren, und er wuͤrde es nie zur Entſchuldigung dienen laſſen, daß Waterlov auch mein Freund und ſogar mein Oheim ſey. — Aber da der ganze Plan doch verungluͤckt iſt, ſo denke ich mich auf jeden Fall wieder mit ihm zu verſoͤhnen.
Aber Waterlov, ob er gleich mein Oheim iſt, ob er gleich aͤlter iſt, wie ich glaube, als vierzig Jahre, ob er gleich ſchon große Reiſen gemacht hat, iſt dennoch ein weit groͤßerer und in die Augen fallenderer Narr, als der jugend- liche Lovell. Er glaubt alles zu haben, indem er Witz hat, er meint die Menſchen genug zu kennen, wenn er nur weiß, wodurch er ſie zum Lachen bewegen kann, er waͤre vielleicht ein gu- ter Komoͤdiendichter geworden, aber zum Um- gange mit Menſchen iſt er verdorben. — Er
Lovell. 2r. Bd. D d
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Drey Jahre nachher.
Die Menſchen ſind Narren, denn obgleich
einer den andern betruͤgt, ſo nehmen ſie doch
nichts ſo ſehr uͤbel, als daß ſie betrogen wer-
den, beſonders wenn man ſie auf eine andre
Art hintergeht, als ſie die uͤbrigen Menſchen
taͤuſchen. Lovell iſt mein unverſoͤhnlicher Feind,
wenn er erfaͤhrt, daß ich mit daran arbeiten
half, ihm ſeine zaͤrtliche Braut zu entfuͤhren,
und er wuͤrde es nie zur Entſchuldigung dienen
laſſen, daß Waterlov auch mein Freund und
ſogar mein Oheim ſey. — Aber da der ganze
Plan doch verungluͤckt iſt, ſo denke ich mich
auf jeden Fall wieder mit ihm zu verſoͤhnen.
Aber Waterlov, ob er gleich mein Oheim
iſt, ob er gleich aͤlter iſt, wie ich glaube, als
vierzig Jahre, ob er gleich ſchon große Reiſen
gemacht hat, iſt dennoch ein weit groͤßerer und
in die Augen fallenderer Narr, als der jugend-
liche Lovell. Er glaubt alles zu haben, indem
er Witz hat, er meint die Menſchen genug zu
kennen, wenn er nur weiß, wodurch er ſie zum
Lachen bewegen kann, er waͤre vielleicht ein gu-
ter Komoͤdiendichter geworden, aber zum Um-
gange mit Menſchen iſt er verdorben. — Er
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/423>, abgerufen am 21.11.2024.
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