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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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Umgang, unsre Freundschaftsbezeugungen, unsre
Vergnügungen, alles ist nur Heucheley, folg-
lich kommt es mir als gar nichts Schwieriges,
ja nicht einmal als etwas Neues vor, hier ei-
ne Art von Rolle zu spielen, um eine reiche
Frau zu bekommen.

Ich bin schon so glücklich gewesen, einige
Liebhaber zu verdrängen, und wenn ich an den
Tod oder an andere betrübte Gegenstände in
der Gesellschaft meiner Geliebten denke, so wird
es mir ganz leicht, eine melancholische Mine
zu machen, und empfindsame Sachen zu sagen.
-- Oft verschiebe ich viele ernsthafte Betrach-
tungen, die sich mir aufdrängen, bis ich dort-
hin komme, und Tochter und Mutter sind im-
mer mit mir zufrieden, und ich kann auf die
Art noch Zeit in meinen Geschäften sparen.
Diese Sparsamkeit kömmt mir jetzt selber lä-
cherlich vor, aber genug, daß es mir bequem ist.

Ich will dieses Buch aufbewahren, um mir
im Alter das Vergnügen zu machen, es wieder
durchzulesen. Man kann dann nur eine richtige
Vorstellung von sich selber haben, wenn man
solche Proben von den ehemaligen Kleidern auf-
bewahrt. Aus diesem Grunde würde ich fast

Umgang, unſre Freundſchaftsbezeugungen, unſre
Vergnuͤgungen, alles iſt nur Heucheley, folg-
lich kommt es mir als gar nichts Schwieriges,
ja nicht einmal als etwas Neues vor, hier ei-
ne Art von Rolle zu ſpielen, um eine reiche
Frau zu bekommen.

Ich bin ſchon ſo gluͤcklich geweſen, einige
Liebhaber zu verdraͤngen, und wenn ich an den
Tod oder an andere betruͤbte Gegenſtaͤnde in
der Geſellſchaft meiner Geliebten denke, ſo wird
es mir ganz leicht, eine melancholiſche Mine
zu machen, und empfindſame Sachen zu ſagen.
— Oft verſchiebe ich viele ernſthafte Betrach-
tungen, die ſich mir aufdraͤngen, bis ich dort-
hin komme, und Tochter und Mutter ſind im-
mer mit mir zufrieden, und ich kann auf die
Art noch Zeit in meinen Geſchaͤften ſparen.
Dieſe Sparſamkeit koͤmmt mir jetzt ſelber laͤ-
cherlich vor, aber genug, daß es mir bequem iſt.

Ich will dieſes Buch aufbewahren, um mir
im Alter das Vergnuͤgen zu machen, es wieder
durchzuleſen. Man kann dann nur eine richtige
Vorſtellung von ſich ſelber haben, wenn man
ſolche Proben von den ehemaligen Kleidern auf-
bewahrt. Aus dieſem Grunde wuͤrde ich faſt

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[420/0426] Umgang, unſre Freundſchaftsbezeugungen, unſre Vergnuͤgungen, alles iſt nur Heucheley, folg- lich kommt es mir als gar nichts Schwieriges, ja nicht einmal als etwas Neues vor, hier ei- ne Art von Rolle zu ſpielen, um eine reiche Frau zu bekommen. Ich bin ſchon ſo gluͤcklich geweſen, einige Liebhaber zu verdraͤngen, und wenn ich an den Tod oder an andere betruͤbte Gegenſtaͤnde in der Geſellſchaft meiner Geliebten denke, ſo wird es mir ganz leicht, eine melancholiſche Mine zu machen, und empfindſame Sachen zu ſagen. — Oft verſchiebe ich viele ernſthafte Betrach- tungen, die ſich mir aufdraͤngen, bis ich dort- hin komme, und Tochter und Mutter ſind im- mer mit mir zufrieden, und ich kann auf die Art noch Zeit in meinen Geſchaͤften ſparen. Dieſe Sparſamkeit koͤmmt mir jetzt ſelber laͤ- cherlich vor, aber genug, daß es mir bequem iſt. Ich will dieſes Buch aufbewahren, um mir im Alter das Vergnuͤgen zu machen, es wieder durchzuleſen. Man kann dann nur eine richtige Vorſtellung von ſich ſelber haben, wenn man ſolche Proben von den ehemaligen Kleidern auf- bewahrt. Aus dieſem Grunde wuͤrde ich faſt

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/426>, abgerufen am 21.11.2024.