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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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12.
Willy an seinen Bruder Thomas.


Lieber Bruder, ich schreibe Dir heute einen
Brief und in wenigen Tagen mache ich mich
auf, um zu Dir zu kommen; denn ich habe kei-
ne Ruhe, ich habe keine Rast, es treibt mich
weg und ruft mir in die Ohren, daß ich Dich
vor meinem Tode noch einmal sehen soll, daß
ich unter Deinen Augen sterben soll.

Schon seit einigen Tagen ist mir so gar
heimlich und einsam zu Muthe, die Fahne des
Kirchthurms knarrt so betrübt, und wenn ich
am Abend am Fenster stehe, ist es, als wenn
ich auf dem Kirchhofe schwarze Männer stehen
sehe, die mit den Fingern nach mir hinweisen.
Ich habe im Stillen geweint und gebetet
und bin mir dabey hier so verlassen vorge-
kommen, und so auch alle Menschen um mich
her, sie waren mir alle fremd. -- Der Tod
treibt sich hier im Hause herum, das ist nicht
anders, lieber Bruder, und nach mir sucht er,

12.
Willy an ſeinen Bruder Thomas.


Lieber Bruder, ich ſchreibe Dir heute einen
Brief und in wenigen Tagen mache ich mich
auf, um zu Dir zu kommen; denn ich habe kei-
ne Ruhe, ich habe keine Raſt, es treibt mich
weg und ruft mir in die Ohren, daß ich Dich
vor meinem Tode noch einmal ſehen ſoll, daß
ich unter Deinen Augen ſterben ſoll.

Schon ſeit einigen Tagen iſt mir ſo gar
heimlich und einſam zu Muthe, die Fahne des
Kirchthurms knarrt ſo betruͤbt, und wenn ich
am Abend am Fenſter ſtehe, iſt es, als wenn
ich auf dem Kirchhofe ſchwarze Maͤnner ſtehen
ſehe, die mit den Fingern nach mir hinweiſen.
Ich habe im Stillen geweint und gebetet
und bin mir dabey hier ſo verlaſſen vorge-
kommen, und ſo auch alle Menſchen um mich
her, ſie waren mir alle fremd. — Der Tod
treibt ſich hier im Hauſe herum, das iſt nicht
anders, lieber Bruder, und nach mir ſucht er,

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[430/0436] 12. Willy an ſeinen Bruder Thomas. Kenſea. Lieber Bruder, ich ſchreibe Dir heute einen Brief und in wenigen Tagen mache ich mich auf, um zu Dir zu kommen; denn ich habe kei- ne Ruhe, ich habe keine Raſt, es treibt mich weg und ruft mir in die Ohren, daß ich Dich vor meinem Tode noch einmal ſehen ſoll, daß ich unter Deinen Augen ſterben ſoll. Schon ſeit einigen Tagen iſt mir ſo gar heimlich und einſam zu Muthe, die Fahne des Kirchthurms knarrt ſo betruͤbt, und wenn ich am Abend am Fenſter ſtehe, iſt es, als wenn ich auf dem Kirchhofe ſchwarze Maͤnner ſtehen ſehe, die mit den Fingern nach mir hinweiſen. Ich habe im Stillen geweint und gebetet und bin mir dabey hier ſo verlaſſen vorge- kommen, und ſo auch alle Menſchen um mich her, ſie waren mir alle fremd. — Der Tod treibt ſich hier im Hauſe herum, das iſt nicht anders, lieber Bruder, und nach mir ſucht er,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/436>, abgerufen am 21.11.2024.