sprach, der mich nun meinen Feinden verrathen würde. Ich betrachtete sie genauer, und konn- te mich doch durchaus nicht erinnern, sie ir- gendwo gesehn zu haben. -- Endlich entdeckte sie sich mir, und o Himmel! -- es war Nie- mand anders, als die Comtesse Blainville!
Lange wollte ich es nicht glauben. Die Blainville, jenes junge, lebhafte, reizende Weib, -- und hier stand ein Ungeheuer vor mir, von Pockengruben entstellt, einäugig, mit allen mög- lichen Widrigkeiten reichlich ausgestattet, -- und dennoch war sie es, selbst unter der gro- ben Hülle lagen einige ihrer ehemaligen Züge, wie fern, verborgen.
Ihre Geschichte kann ich Ihnen mit weni- gen Worten sagen. Der Graf Melun starb bald, nach dem er sie geheyrathet hatte, sie ließ sich durch ihren Liebhaber den Chevalier Valois zu jeder Verschwendung verleiten; sie verließ mit ihm Paris und gieng nach England, ihr Ver[m]ögen war bald vom Valois verspielt, sie ward krank, denn die Blattern offenbarten sich an ihr, der Chevalier erschoß sich, sie ge- nas, aber ihre Schönheit, ihre Jugend war jetzt zugleich mit ihrem Vermögen dahin. Sie
ſprach, der mich nun meinen Feinden verrathen wuͤrde. Ich betrachtete ſie genauer, und konn- te mich doch durchaus nicht erinnern, ſie ir- gendwo geſehn zu haben. — Endlich entdeckte ſie ſich mir, und o Himmel! — es war Nie- mand anders, als die Comteſſe Blainville!
Lange wollte ich es nicht glauben. Die Blainville, jenes junge, lebhafte, reizende Weib, — und hier ſtand ein Ungeheuer vor mir, von Pockengruben entſtellt, einaͤugig, mit allen moͤg- lichen Widrigkeiten reichlich ausgeſtattet, — und dennoch war ſie es, ſelbſt unter der gro- ben Huͤlle lagen einige ihrer ehemaligen Zuͤge, wie fern, verborgen.
Ihre Geſchichte kann ich Ihnen mit weni- gen Worten ſagen. Der Graf Melun ſtarb bald, nach dem er ſie geheyrathet hatte, ſie ließ ſich durch ihren Liebhaber den Chevalier Valois zu jeder Verſchwendung verleiten; ſie verließ mit ihm Paris und gieng nach England, ihr Ver[m]oͤgen war bald vom Valois verſpielt, ſie ward krank, denn die Blattern offenbarten ſich an ihr, der Chevalier erſchoß ſich, ſie ge- nas, aber ihre Schoͤnheit, ihre Jugend war jetzt zugleich mit ihrem Vermoͤgen dahin. Sie
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ſprach, der mich nun meinen Feinden verrathen
wuͤrde. Ich betrachtete ſie genauer, und konn-
te mich doch durchaus nicht erinnern, ſie ir-
gendwo geſehn zu haben. — Endlich entdeckte
ſie ſich mir, und o Himmel! — es war Nie-
mand anders, als die Comteſſe Blainville!
Lange wollte ich es nicht glauben. Die
Blainville, jenes junge, lebhafte, reizende Weib,
— und hier ſtand ein Ungeheuer vor mir, von
Pockengruben entſtellt, einaͤugig, mit allen moͤg-
lichen Widrigkeiten reichlich ausgeſtattet, —
und dennoch war ſie es, ſelbſt unter der gro-
ben Huͤlle lagen einige ihrer ehemaligen Zuͤge,
wie fern, verborgen.
Ihre Geſchichte kann ich Ihnen mit weni-
gen Worten ſagen. Der Graf Melun ſtarb
bald, nach dem er ſie geheyrathet hatte, ſie ließ
ſich durch ihren Liebhaber den Chevalier Valois
zu jeder Verſchwendung verleiten; ſie verließ
mit ihm Paris und gieng nach England, ihr
Vermoͤgen war bald vom Valois verſpielt, ſie
ward krank, denn die Blattern offenbarten ſich
an ihr, der Chevalier erſchoß ſich, ſie ge-
nas, aber ihre Schoͤnheit, ihre Jugend war
jetzt zugleich mit ihrem Vermoͤgen dahin. Sie
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/125>, abgerufen am 23.11.2024.
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