Bäumen nieder. -- Sie sah mich mit einem matten Blicke an, ich kniete neben ihr nieder. -- Alle meine Sinne wandten sich gleichsam um, ich dachte nichts, und sah sie nur vor mir liegen, und die holden blauen Augen und den sanften, menschenfreundlichen Mund, von dem sonst mein Nahme so oft getönt war. -- Sie zitterte und ich stammelte einige Wörte[r, i]ch weiß selbst nicht was, dann drückt ich mein Ge- sicht an ihren Busen, ich wünschte zu sterben; -- meine heisse Wange ruhte dann an der ihri- gen, und sie war kalt, -- ich hielt sie für todt und umarmte sie noch einmahl, -- ein verworrenes Getümmel umgab das brennende Haus, -- dann stand ich auf und eilte fort, -- sie rief mir et- was nach, ich habe es nicht verstanden. Ich wollte umkehren, aber mir selbst zum Trotze ging ich weiter. --
Im Walde sank ich unter einem alten Bau- me nieder. -- Ich hörte ein Geschrey aus der Ferne, und große Funken stiegen zum Him- mel und erloschen dann: ich sah ihnen kalt nach, und weinte endlich laut und heftig: -- Die Winde rauschten durch den Wald und wie Millionen scheltender und verhöhnender Zun-
Lovell. 3r Bd. J
Baͤumen nieder. — Sie ſah mich mit einem matten Blicke an, ich kniete neben ihr nieder. — Alle meine Sinne wandten ſich gleichſam um, ich dachte nichts, und ſah ſie nur vor mir liegen, und die holden blauen Augen und den ſanften, menſchenfreundlichen Mund, von dem ſonſt mein Nahme ſo oft getoͤnt war. — Sie zitterte und ich ſtammelte einige Woͤrte[r, i]ch weiß ſelbſt nicht was, dann druͤckt ich mein Ge- ſicht an ihren Buſen, ich wuͤnſchte zu ſterben; — meine heiſſe Wange ruhte dann an der ihri- gen, und ſie war kalt, — ich hielt ſie fuͤr todt und umarmte ſie noch einmahl, — ein verworrenes Getuͤmmel umgab das brennende Haus, — dann ſtand ich auf und eilte fort, — ſie rief mir et- was nach, ich habe es nicht verſtanden. Ich wollte umkehren, aber mir ſelbſt zum Trotze ging ich weiter. —
Im Walde ſank ich unter einem alten Bau- me nieder. — Ich hoͤrte ein Geſchrey aus der Ferne, und große Funken ſtiegen zum Him- mel und erloſchen dann: ich ſah ihnen kalt nach, und weinte endlich laut und heftig: — Die Winde rauſchten durch den Wald und wie Millionen ſcheltender und verhoͤhnender Zun-
Lovell. 3r Bd. J
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0136"n="129"/>
Baͤumen nieder. — Sie ſah mich mit einem<lb/>
matten Blicke an, ich kniete neben ihr nieder.<lb/>— Alle meine Sinne wandten ſich gleichſam<lb/>
um, ich dachte nichts, und ſah ſie nur vor mir<lb/>
liegen, und die holden blauen Augen und den<lb/>ſanften, menſchenfreundlichen Mund, von dem<lb/>ſonſt mein Nahme ſo oft getoͤnt war. — Sie<lb/>
zitterte und ich ſtammelte einige Woͤrte<supplied>r, i</supplied>ch<lb/>
weiß ſelbſt nicht was, dann druͤckt ich mein Ge-<lb/>ſicht an ihren Buſen, ich wuͤnſchte zu ſterben;<lb/>— meine heiſſe Wange ruhte dann an der ihri-<lb/>
gen, und ſie war kalt, — ich hielt ſie fuͤr todt<lb/>
und umarmte ſie noch einmahl, — ein verworrenes<lb/>
Getuͤmmel umgab das brennende Haus, — dann<lb/>ſtand ich auf und eilte fort, —ſie rief mir et-<lb/>
was nach, ich habe es nicht verſtanden. Ich<lb/>
wollte umkehren, aber mir ſelbſt zum Trotze ging<lb/>
ich weiter. —</p><lb/><p>Im Walde ſank ich unter einem alten Bau-<lb/>
me nieder. — Ich hoͤrte ein Geſchrey aus der<lb/>
Ferne, und große Funken ſtiegen zum Him-<lb/>
mel und erloſchen dann: ich ſah ihnen kalt<lb/>
nach, und weinte endlich laut und heftig:<lb/>— Die Winde rauſchten durch den Wald und<lb/>
wie Millionen ſcheltender und verhoͤhnender Zun-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Lovell. 3r Bd. J</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[129/0136]
Baͤumen nieder. — Sie ſah mich mit einem
matten Blicke an, ich kniete neben ihr nieder.
— Alle meine Sinne wandten ſich gleichſam
um, ich dachte nichts, und ſah ſie nur vor mir
liegen, und die holden blauen Augen und den
ſanften, menſchenfreundlichen Mund, von dem
ſonſt mein Nahme ſo oft getoͤnt war. — Sie
zitterte und ich ſtammelte einige Woͤrter, ich
weiß ſelbſt nicht was, dann druͤckt ich mein Ge-
ſicht an ihren Buſen, ich wuͤnſchte zu ſterben;
— meine heiſſe Wange ruhte dann an der ihri-
gen, und ſie war kalt, — ich hielt ſie fuͤr todt
und umarmte ſie noch einmahl, — ein verworrenes
Getuͤmmel umgab das brennende Haus, — dann
ſtand ich auf und eilte fort, — ſie rief mir et-
was nach, ich habe es nicht verſtanden. Ich
wollte umkehren, aber mir ſelbſt zum Trotze ging
ich weiter. —
Im Walde ſank ich unter einem alten Bau-
me nieder. — Ich hoͤrte ein Geſchrey aus der
Ferne, und große Funken ſtiegen zum Him-
mel und erloſchen dann: ich ſah ihnen kalt
nach, und weinte endlich laut und heftig:
— Die Winde rauſchten durch den Wald und
wie Millionen ſcheltender und verhoͤhnender Zun-
Lovell. 3r Bd. J
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/136>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.