Schrey des Entsetzens wieder zurück: lauter und geängstigter rief sie dann um Hülfe; das Zim- mer war voller Rauch, ich sah es deutlich, Da fiel mir plötzlich eine Stelle aus einem ih- rer Briefe ein, den sie mir Unwürdigen noch nach Paris schickte und in dem sie mit liebens- würdiger Besorglichkeit schrieb, weil sie seit lange keine Nachrichten von mir erhalten hatte:
Ich sehe Sie ohnmächtig gegen die Wellen kämpfen, -- oder in einem bren- nenden Hause vergebens nach Rettung rufen. --
Das schrieb sie mir damals als ich sie über die elende Blainville vergessen hatte, dieselbe Blainville, die jetzt die verzehrenden Flammen gegen ihre Wohlthäterinn ausschickte. -- Wie ein Wirbelwind faßte es mich nun an, es war das Schicksal selbst, das mich allmächtig ergriff; -- ich nahm eine große Leiter und legte sie an das Fenster, -- ich wußte nicht, was ich that. -- Ich stand in Amaliens Zimmer, sie lag oh- ne Besinnung auf einem Sofa. Ich drückte sie an meine Brust, meine Arme umschlossen ihren zarten Körper und so trug ich sie die Leiter hin- ab und legte sie auf eine Rasenstelle unter den
Bäu-
Schrey des Entſetzens wieder zuruͤck: lauter und geaͤngſtigter rief ſie dann um Huͤlfe; das Zim- mer war voller Rauch, ich ſah es deutlich, Da fiel mir ploͤtzlich eine Stelle aus einem ih- rer Briefe ein, den ſie mir Unwuͤrdigen noch nach Paris ſchickte und in dem ſie mit liebens- wuͤrdiger Beſorglichkeit ſchrieb, weil ſie ſeit lange keine Nachrichten von mir erhalten hatte:
Ich ſehe Sie ohnmaͤchtig gegen die Wellen kaͤmpfen, — oder in einem bren- nenden Hauſe vergebens nach Rettung rufen. —
Das ſchrieb ſie mir damals als ich ſie uͤber die elende Blainville vergeſſen hatte, dieſelbe Blainville, die jetzt die verzehrenden Flammen gegen ihre Wohlthaͤterinn ausſchickte. — Wie ein Wirbelwind faßte es mich nun an, es war das Schickſal ſelbſt, das mich allmaͤchtig ergriff; — ich nahm eine große Leiter und legte ſie an das Fenſter, — ich wußte nicht, was ich that. — Ich ſtand in Amaliens Zimmer, ſie lag oh- ne Beſinnung auf einem Sofa. Ich druͤckte ſie an meine Bruſt, meine Arme umſchloſſen ihren zarten Koͤrper und ſo trug ich ſie die Leiter hin- ab und legte ſie auf eine Raſenſtelle unter den
Baͤu-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0135"n="128"/>
Schrey des Entſetzens wieder zuruͤck: lauter und<lb/>
geaͤngſtigter rief ſie dann um Huͤlfe; das Zim-<lb/>
mer war voller Rauch, ich ſah es deutlich,<lb/>
Da fiel mir ploͤtzlich eine Stelle aus einem ih-<lb/>
rer Briefe ein, den ſie mir Unwuͤrdigen noch<lb/>
nach Paris ſchickte und in dem ſie mit liebens-<lb/>
wuͤrdiger Beſorglichkeit ſchrieb, weil ſie ſeit<lb/>
lange keine Nachrichten von mir erhalten hatte:</p><lb/><p><hirendition="#g">Ich ſehe Sie ohnmaͤchtig gegen die<lb/>
Wellen kaͤmpfen, — oder in einem bren-<lb/>
nenden Hauſe vergebens nach Rettung<lb/>
rufen</hi>. —</p><lb/><p>Das ſchrieb ſie mir damals als ich ſie uͤber<lb/>
die elende Blainville vergeſſen hatte, dieſelbe<lb/>
Blainville, die jetzt die verzehrenden Flammen<lb/>
gegen ihre Wohlthaͤterinn ausſchickte. — Wie<lb/>
ein Wirbelwind faßte es mich nun an, es war<lb/>
das Schickſal ſelbſt, das mich allmaͤchtig ergriff;<lb/>— ich nahm eine große Leiter und legte ſie an<lb/>
das Fenſter, — ich wußte nicht, was ich that.<lb/>— Ich ſtand in Amaliens Zimmer, ſie lag oh-<lb/>
ne Beſinnung auf einem Sofa. Ich druͤckte ſie<lb/><choice><sic>au</sic><corr>an</corr></choice> meine Bruſt, meine Arme umſchloſſen ihren<lb/>
zarten Koͤrper und ſo trug ich ſie die Leiter hin-<lb/>
ab und legte ſie auf eine Raſenſtelle unter den<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Baͤu-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[128/0135]
Schrey des Entſetzens wieder zuruͤck: lauter und
geaͤngſtigter rief ſie dann um Huͤlfe; das Zim-
mer war voller Rauch, ich ſah es deutlich,
Da fiel mir ploͤtzlich eine Stelle aus einem ih-
rer Briefe ein, den ſie mir Unwuͤrdigen noch
nach Paris ſchickte und in dem ſie mit liebens-
wuͤrdiger Beſorglichkeit ſchrieb, weil ſie ſeit
lange keine Nachrichten von mir erhalten hatte:
Ich ſehe Sie ohnmaͤchtig gegen die
Wellen kaͤmpfen, — oder in einem bren-
nenden Hauſe vergebens nach Rettung
rufen. —
Das ſchrieb ſie mir damals als ich ſie uͤber
die elende Blainville vergeſſen hatte, dieſelbe
Blainville, die jetzt die verzehrenden Flammen
gegen ihre Wohlthaͤterinn ausſchickte. — Wie
ein Wirbelwind faßte es mich nun an, es war
das Schickſal ſelbſt, das mich allmaͤchtig ergriff;
— ich nahm eine große Leiter und legte ſie an
das Fenſter, — ich wußte nicht, was ich that.
— Ich ſtand in Amaliens Zimmer, ſie lag oh-
ne Beſinnung auf einem Sofa. Ich druͤckte ſie
an meine Bruſt, meine Arme umſchloſſen ihren
zarten Koͤrper und ſo trug ich ſie die Leiter hin-
ab und legte ſie auf eine Raſenſtelle unter den
Baͤu-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/135>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.