den und die die Augen der Menschen verblen- deten. -- Wahrlich, wir sind am Ende alle Brüder einer Mutter.
Trauen Sie es mir wohl zu, daß ich lange für mich glaubte, Lovell habe mein Haus an- gezündet, weil er mir meinen Frieden beneide? Ich hatte eben keine Gründe zu diesem Arg- wohne, als mein mißtrauisches Herz. -- Aber ich habe es ihm auch mit diesem Herzen wieder abgebeten.
Von welchen Zufälligkeiten hing es nun vielleicht ab, daß ich nicht wirklich schlecht wurde? -- Und wer steht mir denn dafür daß ich am Ende gut bin, wie ich es glaube?
Ach, ich muß die Feder niederlegen, denn ist nicht auch das, daß ich so über mich spreche, wieder Eitelkeit? -- Es giebt gewisse Gedanken, die man zu den Curiositäten der Seele rech- nen sollte. -- Ich möchte diese Idee gerne weiter ausspinnen, denn ich habe eine Ahn- dung, daß noch mehrere Gedanken in ihr lie- gen, aber mein Kopf versagt mir seine Dienste: in dieser chaotischen Dunstkugel kömmt nur selten die Gestalt zum Vorscheine, die man zitirt. --
den und die die Augen der Menſchen verblen- deten. — Wahrlich, wir ſind am Ende alle Bruͤder einer Mutter.
Trauen Sie es mir wohl zu, daß ich lange fuͤr mich glaubte, Lovell habe mein Haus an- gezuͤndet, weil er mir meinen Frieden beneide? Ich hatte eben keine Gruͤnde zu dieſem Arg- wohne, als mein mißtrauiſches Herz. — Aber ich habe es ihm auch mit dieſem Herzen wieder abgebeten.
Von welchen Zufaͤlligkeiten hing es nun vielleicht ab, daß ich nicht wirklich ſchlecht wurde? — Und wer ſteht mir denn dafuͤr daß ich am Ende gut bin, wie ich es glaube?
Ach, ich muß die Feder niederlegen, denn iſt nicht auch das, daß ich ſo uͤber mich ſpreche, wieder Eitelkeit? — Es giebt gewiſſe Gedanken, die man zu den Curioſitaͤten der Seele rech- nen ſollte. — Ich moͤchte dieſe Idee gerne weiter ausſpinnen, denn ich habe eine Ahn- dung, daß noch mehrere Gedanken in ihr lie- gen, aber mein Kopf verſagt mir ſeine Dienſte: in dieſer chaotiſchen Dunſtkugel koͤmmt nur ſelten die Geſtalt zum Vorſcheine, die man zitirt. —
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0211"n="204"/>
den und die die Augen der Menſchen verblen-<lb/>
deten. — Wahrlich, wir ſind am Ende alle<lb/>
Bruͤder einer Mutter.</p><lb/><p>Trauen Sie es mir wohl zu, daß ich lange<lb/>
fuͤr mich glaubte, Lovell habe mein Haus an-<lb/>
gezuͤndet, weil er mir meinen Frieden beneide?<lb/>
Ich hatte eben keine Gruͤnde zu dieſem Arg-<lb/>
wohne, als mein mißtrauiſches Herz. — Aber<lb/>
ich habe es ihm auch mit dieſem Herzen wieder<lb/>
abgebeten.</p><lb/><p>Von welchen Zufaͤlligkeiten hing es nun<lb/>
vielleicht ab, daß ich nicht wirklich ſchlecht<lb/>
wurde? — Und wer ſteht mir denn dafuͤr daß<lb/>
ich am Ende gut bin, wie ich es glaube?</p><lb/><p>Ach, ich muß die Feder niederlegen, denn<lb/>
iſt nicht auch das, daß ich ſo uͤber mich ſpreche,<lb/>
wieder Eitelkeit? — Es giebt gewiſſe Gedanken,<lb/>
die man zu den Curioſitaͤten der Seele rech-<lb/>
nen ſollte. — Ich moͤchte dieſe Idee gerne<lb/>
weiter ausſpinnen, denn ich habe eine Ahn-<lb/>
dung, daß noch mehrere Gedanken in ihr lie-<lb/>
gen, aber mein Kopf verſagt mir ſeine Dienſte:<lb/>
in dieſer chaotiſchen Dunſtkugel koͤmmt nur<lb/>ſelten die Geſtalt zum Vorſcheine, die man<lb/>
zitirt. —</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[204/0211]
den und die die Augen der Menſchen verblen-
deten. — Wahrlich, wir ſind am Ende alle
Bruͤder einer Mutter.
Trauen Sie es mir wohl zu, daß ich lange
fuͤr mich glaubte, Lovell habe mein Haus an-
gezuͤndet, weil er mir meinen Frieden beneide?
Ich hatte eben keine Gruͤnde zu dieſem Arg-
wohne, als mein mißtrauiſches Herz. — Aber
ich habe es ihm auch mit dieſem Herzen wieder
abgebeten.
Von welchen Zufaͤlligkeiten hing es nun
vielleicht ab, daß ich nicht wirklich ſchlecht
wurde? — Und wer ſteht mir denn dafuͤr daß
ich am Ende gut bin, wie ich es glaube?
Ach, ich muß die Feder niederlegen, denn
iſt nicht auch das, daß ich ſo uͤber mich ſpreche,
wieder Eitelkeit? — Es giebt gewiſſe Gedanken,
die man zu den Curioſitaͤten der Seele rech-
nen ſollte. — Ich moͤchte dieſe Idee gerne
weiter ausſpinnen, denn ich habe eine Ahn-
dung, daß noch mehrere Gedanken in ihr lie-
gen, aber mein Kopf verſagt mir ſeine Dienſte:
in dieſer chaotiſchen Dunſtkugel koͤmmt nur
ſelten die Geſtalt zum Vorſcheine, die man
zitirt. —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/211>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.