Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Menschen, der ein guter Freund seyn will. --
Apropos von guten Freunden! Ich glaube, ich
habe keinen einzigen mehr in Paris, seit die
Leute merken, daß ich kein Geld mehr habe:
das ist eine magnetische Kraft des Metalls,
die man bis jetzt noch nicht bemerkt hat; die
Naturgeschichte könnte dadurch eine große Ver-
besserung leiden. Denn was die Leute oft Liebe,
Instinkt, Sympathie, häusliches Glück nen-
nen, -- was ist es oft anders, als die Attrak-
tion des gemünzten Metalles?

Ich muß fort. Man wartet beym Spiel-
tische auf mich. Es wäre doch viel, wenn
man das Glück nicht zwingen könnte. Sterben
will ich eher, als verlieren: die Leute nennen
es Aberglauben, wenn man manches beym Spiele
beobachtet, aber ich habe mir eine Menge von
Sachen ausgedacht, die gewiß helfen, und die
kein Aberglauben sind. -- Was nennen wir
denn Aberglauben? Haben wir eine andre
Weisheit? Eine ohne Aberglauben? Am Ende
ist es ein Aberglaube, daß ich existire; ein
Satz, den ich so auf gut Glück annehme, weil
es mir so vorkömmt. Aber wer ist jenes Ich,
dem es so vorkömmt? -- Die Frage kann mir

Q 2

Menſchen, der ein guter Freund ſeyn will. —
Apropos von guten Freunden! Ich glaube, ich
habe keinen einzigen mehr in Paris, ſeit die
Leute merken, daß ich kein Geld mehr habe:
das iſt eine magnetiſche Kraft des Metalls,
die man bis jetzt noch nicht bemerkt hat; die
Naturgeſchichte koͤnnte dadurch eine große Ver-
beſſerung leiden. Denn was die Leute oft Liebe,
Inſtinkt, Sympathie, haͤusliches Gluͤck nen-
nen, — was iſt es oft anders, als die Attrak-
tion des gemuͤnzten Metalles?

Ich muß fort. Man wartet beym Spiel-
tiſche auf mich. Es waͤre doch viel, wenn
man das Gluͤck nicht zwingen koͤnnte. Sterben
will ich eher, als verlieren: die Leute nennen
es Aberglauben, wenn man manches beym Spiele
beobachtet, aber ich habe mir eine Menge von
Sachen ausgedacht, die gewiß helfen, und die
kein Aberglauben ſind. — Was nennen wir
denn Aberglauben? Haben wir eine andre
Weisheit? Eine ohne Aberglauben? Am Ende
iſt es ein Aberglaube, daß ich exiſtire; ein
Satz, den ich ſo auf gut Gluͤck annehme, weil
es mir ſo vorkoͤmmt. Aber wer iſt jenes Ich,
dem es ſo vorkoͤmmt? — Die Frage kann mir

Q 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0250" n="243"/>
Men&#x017F;chen, der ein guter Freund &#x017F;eyn will. &#x2014;<lb/>
Apropos von guten Freunden! Ich glaube, ich<lb/>
habe keinen einzigen mehr in Paris, &#x017F;eit die<lb/>
Leute merken, daß ich kein Geld mehr habe:<lb/>
das i&#x017F;t eine magneti&#x017F;che Kraft des Metalls,<lb/>
die man bis jetzt noch nicht bemerkt hat; die<lb/>
Naturge&#x017F;chichte ko&#x0364;nnte dadurch eine große Ver-<lb/>
be&#x017F;&#x017F;erung leiden. Denn was die Leute oft Liebe,<lb/>
In&#x017F;tinkt, Sympathie, ha&#x0364;usliches Glu&#x0364;ck nen-<lb/>
nen, &#x2014; was i&#x017F;t es oft anders, als die Attrak-<lb/>
tion des gemu&#x0364;nzten Metalles?</p><lb/>
          <p>Ich muß fort. Man wartet beym Spiel-<lb/>
ti&#x017F;che auf mich. Es wa&#x0364;re doch viel, wenn<lb/>
man das Glu&#x0364;ck nicht zwingen ko&#x0364;nnte. Sterben<lb/>
will ich eher, als verlieren: die Leute nennen<lb/>
es Aberglauben, wenn man manches beym Spiele<lb/>
beobachtet, aber ich habe mir eine Menge von<lb/>
Sachen ausgedacht, die gewiß helfen, und die<lb/>
kein Aberglauben &#x017F;ind. &#x2014; Was nennen wir<lb/>
denn <hi rendition="#g">Aberglauben?</hi> Haben wir eine andre<lb/>
Weisheit? Eine ohne Aberglauben? Am Ende<lb/>
i&#x017F;t es ein Aberglaube, daß ich exi&#x017F;tire; ein<lb/>
Satz, den ich &#x017F;o auf gut Glu&#x0364;ck annehme, weil<lb/>
es mir &#x017F;o vorko&#x0364;mmt. Aber wer i&#x017F;t jenes <hi rendition="#g">Ich</hi>,<lb/>
dem es &#x017F;o vorko&#x0364;mmt? &#x2014; Die Frage kann mir<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0250] Menſchen, der ein guter Freund ſeyn will. — Apropos von guten Freunden! Ich glaube, ich habe keinen einzigen mehr in Paris, ſeit die Leute merken, daß ich kein Geld mehr habe: das iſt eine magnetiſche Kraft des Metalls, die man bis jetzt noch nicht bemerkt hat; die Naturgeſchichte koͤnnte dadurch eine große Ver- beſſerung leiden. Denn was die Leute oft Liebe, Inſtinkt, Sympathie, haͤusliches Gluͤck nen- nen, — was iſt es oft anders, als die Attrak- tion des gemuͤnzten Metalles? Ich muß fort. Man wartet beym Spiel- tiſche auf mich. Es waͤre doch viel, wenn man das Gluͤck nicht zwingen koͤnnte. Sterben will ich eher, als verlieren: die Leute nennen es Aberglauben, wenn man manches beym Spiele beobachtet, aber ich habe mir eine Menge von Sachen ausgedacht, die gewiß helfen, und die kein Aberglauben ſind. — Was nennen wir denn Aberglauben? Haben wir eine andre Weisheit? Eine ohne Aberglauben? Am Ende iſt es ein Aberglaube, daß ich exiſtire; ein Satz, den ich ſo auf gut Gluͤck annehme, weil es mir ſo vorkoͤmmt. Aber wer iſt jenes Ich, dem es ſo vorkoͤmmt? — Die Frage kann mir Q 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/250
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/250>, abgerufen am 22.11.2024.