daß ich von je so war, wie ich bin, daß von je alles berechnet war, daß ich so seyn mußte. -- Doch, keiner wird so närrisch seyn, sich um mich und meine Geschichte zu bekümmern; im Herzen eines jeden Bekannten steht sie anders geschrieben, und alle, nur ich selbst, lesen sie vielleicht falsch.
Jetzt will und kann ich zu Ihnen zurück- kehren; ich bin schon auf dem Wege. Ich habe alles vergessen, Rosa, und Sie dürfen mir ohne Scheu oder Zurückhaltung näher kommen; ich hoffe, auch Sie haben alles das von mir vergessen, was mich in Ihrer Gesellschaft in Verlegenheit setzen könnte: für vernünftige Menschen muß nie eine Verlegenheit entstehen können, denn das höchste, was sie thun können, ist, daß sie gestehn, daß sie irgend einmal Nar- ren waren, und das versteht sich ja immer von selbst, und sie sind von neuem Narren, indem sie es gestehn. Also können wir beyde darüber ganz ruhig seyn. -- Grüßen Sie vor allen Dingen Andrea; er wird doch nicht krank seyn, da Sie ihn damals so lange nicht gesehn hat- ten? -- Leben Sie wohl, bald seh' ich Sie wieder. --
daß ich von je ſo war, wie ich bin, daß von je alles berechnet war, daß ich ſo ſeyn mußte. — Doch, keiner wird ſo naͤrriſch ſeyn, ſich um mich und meine Geſchichte zu bekuͤmmern; im Herzen eines jeden Bekannten ſteht ſie anders geſchrieben, und alle, nur ich ſelbſt, leſen ſie vielleicht falſch.
Jetzt will und kann ich zu Ihnen zuruͤck- kehren; ich bin ſchon auf dem Wege. Ich habe alles vergeſſen, Roſa, und Sie duͤrfen mir ohne Scheu oder Zuruͤckhaltung naͤher kommen; ich hoffe, auch Sie haben alles das von mir vergeſſen, was mich in Ihrer Geſellſchaft in Verlegenheit ſetzen koͤnnte: fuͤr vernuͤnftige Menſchen muß nie eine Verlegenheit entſtehen koͤnnen, denn das hoͤchſte, was ſie thun koͤnnen, iſt, daß ſie geſtehn, daß ſie irgend einmal Nar- ren waren, und das verſteht ſich ja immer von ſelbſt, und ſie ſind von neuem Narren, indem ſie es geſtehn. Alſo koͤnnen wir beyde daruͤber ganz ruhig ſeyn. — Gruͤßen Sie vor allen Dingen Andrea; er wird doch nicht krank ſeyn, da Sie ihn damals ſo lange nicht geſehn hat- ten? — Leben Sie wohl, bald ſeh' ich Sie wieder. —
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daß ich von je ſo war, wie ich bin, daß von
je alles berechnet war, daß ich ſo ſeyn mußte.
— Doch, keiner wird ſo naͤrriſch ſeyn, ſich um
mich und meine Geſchichte zu bekuͤmmern; im
Herzen eines jeden Bekannten ſteht ſie anders
geſchrieben, und alle, nur ich ſelbſt, leſen ſie
vielleicht falſch.
Jetzt will und kann ich zu Ihnen zuruͤck-
kehren; ich bin ſchon auf dem Wege. Ich habe
alles vergeſſen, Roſa, und Sie duͤrfen mir
ohne Scheu oder Zuruͤckhaltung naͤher kommen;
ich hoffe, auch Sie haben alles das von mir
vergeſſen, was mich in Ihrer Geſellſchaft in
Verlegenheit ſetzen koͤnnte: fuͤr vernuͤnftige
Menſchen muß nie eine Verlegenheit entſtehen
koͤnnen, denn das hoͤchſte, was ſie thun koͤnnen,
iſt, daß ſie geſtehn, daß ſie irgend einmal Nar-
ren waren, und das verſteht ſich ja immer von
ſelbſt, und ſie ſind von neuem Narren, indem
ſie es geſtehn. Alſo koͤnnen wir beyde daruͤber
ganz ruhig ſeyn. — Gruͤßen Sie vor allen
Dingen Andrea; er wird doch nicht krank ſeyn,
da Sie ihn damals ſo lange nicht geſehn hat-
ten? — Leben Sie wohl, bald ſeh' ich Sie
wieder. —
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/274>, abgerufen am 22.11.2024.
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