der Welt, aber ich denke, daß ich nicht zu diesen gehöre; nachher giebt es solche, die, wenn sie aus der Armuth in einen gewissen Wohlstand versetzt sind, sich nachher ihrer ehe- maligen Armuth schämen und wünschen, daß alle Menschen die Wohlthaten und Unterstüz- zungen vergessen möchten, die sie ihnen in schlimmern Zeiten erwiesen haben, ja sie suchen sie sogar selbst zu vergessen, und daraus ent- steht wieder eine andre Art von Undankbarkeit, die aus einer falschen Schaam herrührt; man kann nicht sagen, daß die Ursache ganz schlecht sey, aber der Erfolg davon wird oft recht nie- derträchtig. Ich glaube, daß der Mensch auf recht verschiedenen Wegen schlimm werden kann, aber dafür hat der Mensch auch seinen Verstand, um sich vor solchen Abwegen zu hü- ten. Nehmen Sie mir mein weitläuftiges Ge- schwätz nicht übel, denn es kommt wirklich aus dem Herzen. -- Ich lebe hier sehr froh und vergnügt, wie ein Vogel in den Lüften und in den grünen Baumzweigen. Ich suche, soviel es mir in meinem Alter noch möglich ist, mei- nem Schwiegersohne auf irgend eine Art nütz-
der Welt, aber ich denke, daß ich nicht zu dieſen gehoͤre; nachher giebt es ſolche, die, wenn ſie aus der Armuth in einen gewiſſen Wohlſtand verſetzt ſind, ſich nachher ihrer ehe- maligen Armuth ſchaͤmen und wuͤnſchen, daß alle Menſchen die Wohlthaten und Unterſtuͤz- zungen vergeſſen moͤchten, die ſie ihnen in ſchlimmern Zeiten erwieſen haben, ja ſie ſuchen ſie ſogar ſelbſt zu vergeſſen, und daraus ent- ſteht wieder eine andre Art von Undankbarkeit, die aus einer falſchen Schaam herruͤhrt; man kann nicht ſagen, daß die Urſache ganz ſchlecht ſey, aber der Erfolg davon wird oft recht nie- dertraͤchtig. Ich glaube, daß der Menſch auf recht verſchiedenen Wegen ſchlimm werden kann, aber dafuͤr hat der Menſch auch ſeinen Verſtand, um ſich vor ſolchen Abwegen zu huͤ- ten. Nehmen Sie mir mein weitlaͤuftiges Ge- ſchwaͤtz nicht uͤbel, denn es kommt wirklich aus dem Herzen. — Ich lebe hier ſehr froh und vergnuͤgt, wie ein Vogel in den Luͤften und in den gruͤnen Baumzweigen. Ich ſuche, ſoviel es mir in meinem Alter noch moͤglich iſt, mei- nem Schwiegerſohne auf irgend eine Art nuͤtz-
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der Welt, aber ich denke, daß ich nicht zu
dieſen gehoͤre; nachher giebt es ſolche, die,
wenn ſie aus der Armuth in einen gewiſſen
Wohlſtand verſetzt ſind, ſich nachher ihrer ehe-
maligen Armuth ſchaͤmen und wuͤnſchen, daß
alle Menſchen die Wohlthaten und Unterſtuͤz-
zungen vergeſſen moͤchten, die ſie ihnen in
ſchlimmern Zeiten erwieſen haben, ja ſie ſuchen
ſie ſogar ſelbſt zu vergeſſen, und daraus ent-
ſteht wieder eine andre Art von Undankbarkeit,
die aus einer falſchen Schaam herruͤhrt; man
kann nicht ſagen, daß die Urſache ganz ſchlecht
ſey, aber der Erfolg davon wird oft recht nie-
dertraͤchtig. Ich glaube, daß der Menſch auf
recht verſchiedenen Wegen ſchlimm werden
kann, aber dafuͤr hat der Menſch auch ſeinen
Verſtand, um ſich vor ſolchen Abwegen zu huͤ-
ten. Nehmen Sie mir mein weitlaͤuftiges Ge-
ſchwaͤtz nicht uͤbel, denn es kommt wirklich aus
dem Herzen. — Ich lebe hier ſehr froh und
vergnuͤgt, wie ein Vogel in den Luͤften und in
den gruͤnen Baumzweigen. Ich ſuche, ſoviel
es mir in meinem Alter noch moͤglich iſt, mei-
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/276>, abgerufen am 22.11.2024.
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