Wenn Sie Bräutigam sind, so bin ich im Stande, Ihnen zu melden, daß ich schon ein Ehemann bin. Ich halte das lange Entschlie- ßen ebenfalls für Thorheit, die Mädchen müs- sen suchen je eher je lieber unter die Haube, so wie die Männer unter den Pantoffel zu kom- men, denn was hilft es am Ende, wenn man sich seinem Schicksale auch noch so lange wider- setzt? Wir haben nun das Ende aller unsrer Schicksale erlebt, die, aufrichtig gesprochen, eben nicht sehr verflochten waren, indessen, es ist besser, daß wir ohne vorhergegangene Ver- wickelung die Entwickelung erlebt haben: die Mißverständnisse in dem Lustspiele des Lebens sind für mich immer etwas äußerst Langweiliges gewesen. Wir treten nunmehr von der Bühne der menschlichen Thorheiten ab und errichten ganz in der Stille ein Privattheater. Ich halte den für sehr glücklich, den das Schicksal nicht
21. Francesko an Adriano.
Rom.
Wenn Sie Braͤutigam ſind, ſo bin ich im Stande, Ihnen zu melden, daß ich ſchon ein Ehemann bin. Ich halte das lange Entſchlie- ßen ebenfalls fuͤr Thorheit, die Maͤdchen muͤſ- ſen ſuchen je eher je lieber unter die Haube, ſo wie die Maͤnner unter den Pantoffel zu kom- men, denn was hilft es am Ende, wenn man ſich ſeinem Schickſale auch noch ſo lange wider- ſetzt? Wir haben nun das Ende aller unſrer Schickſale erlebt, die, aufrichtig geſprochen, eben nicht ſehr verflochten waren, indeſſen, es iſt beſſer, daß wir ohne vorhergegangene Ver- wickelung die Entwickelung erlebt haben: die Mißverſtaͤndniſſe in dem Luſtſpiele des Lebens ſind fuͤr mich immer etwas aͤußerſt Langweiliges geweſen. Wir treten nunmehr von der Buͤhne der menſchlichen Thorheiten ab und errichten ganz in der Stille ein Privattheater. Ich halte den fuͤr ſehr gluͤcklich, den das Schickſal nicht
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21.
Francesko an Adriano.
Rom.
Wenn Sie Braͤutigam ſind, ſo bin ich im
Stande, Ihnen zu melden, daß ich ſchon ein
Ehemann bin. Ich halte das lange Entſchlie-
ßen ebenfalls fuͤr Thorheit, die Maͤdchen muͤſ-
ſen ſuchen je eher je lieber unter die Haube,
ſo wie die Maͤnner unter den Pantoffel zu kom-
men, denn was hilft es am Ende, wenn man
ſich ſeinem Schickſale auch noch ſo lange wider-
ſetzt? Wir haben nun das Ende aller unſrer
Schickſale erlebt, die, aufrichtig geſprochen,
eben nicht ſehr verflochten waren, indeſſen, es
iſt beſſer, daß wir ohne vorhergegangene Ver-
wickelung die Entwickelung erlebt haben: die
Mißverſtaͤndniſſe in dem Luſtſpiele des Lebens
ſind fuͤr mich immer etwas aͤußerſt Langweiliges
geweſen. Wir treten nunmehr von der Buͤhne
der menſchlichen Thorheiten ab und errichten
ganz in der Stille ein Privattheater. Ich halte
den fuͤr ſehr gluͤcklich, den das Schickſal nicht
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/390>, abgerufen am 22.11.2024.
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