daß der Mensch immer bey dieser kuriosen Ein- richtung seiner Natur die herrlichsten Ursachen hat, unzufrieden zu seyn.
Wie unermeßlich lang kommt mir jetzt oft bey meinen Arbeiten ein Bogen vor, den ich vollschreiben soll, da er mir in den ersten Tagen nur wie ein Spatziergang war. Alle dummen und klugen Streiche laufen in der Welt doch wahrhaftig auf eins hinaus. Du nennst es nun selbst einen vernünftigen Plan, daß ich beym Minister angestellet bin, und wie wenig hab' ich daran gedacht, als ich mich anstellen ließ? Wahrlich, ich ließ mich eben mit der phlegma- tischen Unbefangenheit zu ihm schleppen, als wäre die Reise nach einem Alehouse gegangen; meine allerdummsten Streiche haben mir weit mehr Kopfbrechens gekostet. -- Ich glaube, ich könnte der edelste und tugendhafteste Mann von der Welt werden, ohne daß ich ein Wört- chen davon wüßte. -- Lieber Mortimer, wenn das irgend einmal der Fall seyn sollte, so ma- che mich doch um des Himmels willen aufmerk- sam darauf, damit ich nicht so in meiner Dummheit hin ausserordentlich edel bin und selbst gar keine Freude daran habe.
daß der Menſch immer bey dieſer kurioſen Ein- richtung ſeiner Natur die herrlichſten Urſachen hat, unzufrieden zu ſeyn.
Wie unermeßlich lang kommt mir jetzt oft bey meinen Arbeiten ein Bogen vor, den ich vollſchreiben ſoll, da er mir in den erſten Tagen nur wie ein Spatziergang war. Alle dummen und klugen Streiche laufen in der Welt doch wahrhaftig auf eins hinaus. Du nennſt es nun ſelbſt einen vernuͤnftigen Plan, daß ich beym Miniſter angeſtellet bin, und wie wenig hab' ich daran gedacht, als ich mich anſtellen ließ? Wahrlich, ich ließ mich eben mit der phlegma- tiſchen Unbefangenheit zu ihm ſchleppen, als waͤre die Reiſe nach einem Alehouſe gegangen; meine allerdummſten Streiche haben mir weit mehr Kopfbrechens gekoſtet. — Ich glaube, ich koͤnnte der edelſte und tugendhafteſte Mann von der Welt werden, ohne daß ich ein Woͤrt- chen davon wuͤßte. — Lieber Mortimer, wenn das irgend einmal der Fall ſeyn ſollte, ſo ma- che mich doch um des Himmels willen aufmerk- ſam darauf, damit ich nicht ſo in meiner Dummheit hin auſſerordentlich edel bin und ſelbſt gar keine Freude daran habe.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0041"n="34"/>
daß der Menſch immer bey dieſer kurioſen Ein-<lb/>
richtung ſeiner Natur die herrlichſten Urſachen<lb/>
hat, unzufrieden zu ſeyn.</p><lb/><p>Wie unermeßlich lang kommt mir jetzt oft<lb/>
bey meinen Arbeiten ein Bogen vor, den ich<lb/>
vollſchreiben ſoll, da er mir in den erſten Tagen<lb/>
nur wie ein Spatziergang war. Alle dummen<lb/>
und klugen Streiche laufen in der Welt doch<lb/>
wahrhaftig auf eins hinaus. Du nennſt es nun<lb/>ſelbſt einen vernuͤnftigen Plan, daß ich beym<lb/>
Miniſter angeſtellet bin, und wie wenig hab' ich<lb/>
daran gedacht, als ich mich anſtellen ließ?<lb/>
Wahrlich, ich ließ mich eben mit der phlegma-<lb/>
tiſchen Unbefangenheit zu ihm ſchleppen, als<lb/>
waͤre die Reiſe nach einem Alehouſe gegangen;<lb/>
meine allerdummſten Streiche haben mir weit<lb/>
mehr Kopfbrechens gekoſtet. — Ich glaube,<lb/>
ich koͤnnte der edelſte und tugendhafteſte Mann<lb/>
von der Welt werden, ohne daß ich ein Woͤrt-<lb/>
chen davon wuͤßte. — Lieber <choice><sic>Montimer</sic><corr>Mortimer</corr></choice>, wenn<lb/>
das irgend einmal der Fall ſeyn ſollte, ſo ma-<lb/>
che mich doch um des Himmels willen aufmerk-<lb/>ſam darauf, damit ich nicht ſo in meiner<lb/>
Dummheit hin auſſerordentlich edel bin und<lb/>ſelbſt gar keine Freude daran habe.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[34/0041]
daß der Menſch immer bey dieſer kurioſen Ein-
richtung ſeiner Natur die herrlichſten Urſachen
hat, unzufrieden zu ſeyn.
Wie unermeßlich lang kommt mir jetzt oft
bey meinen Arbeiten ein Bogen vor, den ich
vollſchreiben ſoll, da er mir in den erſten Tagen
nur wie ein Spatziergang war. Alle dummen
und klugen Streiche laufen in der Welt doch
wahrhaftig auf eins hinaus. Du nennſt es nun
ſelbſt einen vernuͤnftigen Plan, daß ich beym
Miniſter angeſtellet bin, und wie wenig hab' ich
daran gedacht, als ich mich anſtellen ließ?
Wahrlich, ich ließ mich eben mit der phlegma-
tiſchen Unbefangenheit zu ihm ſchleppen, als
waͤre die Reiſe nach einem Alehouſe gegangen;
meine allerdummſten Streiche haben mir weit
mehr Kopfbrechens gekoſtet. — Ich glaube,
ich koͤnnte der edelſte und tugendhafteſte Mann
von der Welt werden, ohne daß ich ein Woͤrt-
chen davon wuͤßte. — Lieber Mortimer, wenn
das irgend einmal der Fall ſeyn ſollte, ſo ma-
che mich doch um des Himmels willen aufmerk-
ſam darauf, damit ich nicht ſo in meiner
Dummheit hin auſſerordentlich edel bin und
ſelbſt gar keine Freude daran habe.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/41>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.