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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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werk zu bilden, in welchem ich mir wieder ge-
fiel. Ich zog nach und nach meine vorigen
Ideen in meinen jetzigen Zustand hinein, und
so war es, als wenn sich ein sanfter Mond-
schimmer über mir bildete, in dessen melancho-
lischer Dämmerung ich gerne wandelte.

Ich lernte eine Familie in der Nachbar-
schaft kennen, oder vielmehr, ich besuchte sie
nur fleißig, weil mein Vormund mich dort ein-
geführt hatte. Antonie, die einzige Tochter des
Hauses, lenkte nach kurzer Zeit alle meine Auf-
merksamkeit auf sich; die Dämmerung um mich
her ward immer traulicher, und ich hatte am
Ende meinen Schmerz vergessen, indem ich
immer noch sehr unglücklich zu seyn glaubte.

Mein ganzes Leben bekam einen neuen
Schwung und es ward mir auf eine andere Art
lieb. Alle meine großen Entwürfe fielen zusam-
men, meine große heroische Biographie kroch in
einen Seufzer ein, ein einziger holdseeliger
Blick erfüllte alle meine Wünsche.

In dieser Zeit ist man von allen Frauen-
zimmern gern gesehn, weil man sie verehrt und
für göttliche Wesen hält; sie sind immer in
der Gesellschaft eines jungen unerfahrnen Men-

werk zu bilden, in welchem ich mir wieder ge-
fiel. Ich zog nach und nach meine vorigen
Ideen in meinen jetzigen Zuſtand hinein, und
ſo war es, als wenn ſich ein ſanfter Mond-
ſchimmer uͤber mir bildete, in deſſen melancho-
liſcher Daͤmmerung ich gerne wandelte.

Ich lernte eine Familie in der Nachbar-
ſchaft kennen, oder vielmehr, ich beſuchte ſie
nur fleißig, weil mein Vormund mich dort ein-
gefuͤhrt hatte. Antonie, die einzige Tochter des
Hauſes, lenkte nach kurzer Zeit alle meine Auf-
merkſamkeit auf ſich; die Daͤmmerung um mich
her ward immer traulicher, und ich hatte am
Ende meinen Schmerz vergeſſen, indem ich
immer noch ſehr ungluͤcklich zu ſeyn glaubte.

Mein ganzes Leben bekam einen neuen
Schwung und es ward mir auf eine andere Art
lieb. Alle meine großen Entwuͤrfe fielen zuſam-
men, meine große heroiſche Biographie kroch in
einen Seufzer ein, ein einziger holdſeeliger
Blick erfuͤllte alle meine Wuͤnſche.

In dieſer Zeit iſt man von allen Frauen-
zimmern gern geſehn, weil man ſie verehrt und
fuͤr goͤttliche Weſen haͤlt; ſie ſind immer in
der Geſellſchaft eines jungen unerfahrnen Men-

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[406/0413] werk zu bilden, in welchem ich mir wieder ge- fiel. Ich zog nach und nach meine vorigen Ideen in meinen jetzigen Zuſtand hinein, und ſo war es, als wenn ſich ein ſanfter Mond- ſchimmer uͤber mir bildete, in deſſen melancho- liſcher Daͤmmerung ich gerne wandelte. Ich lernte eine Familie in der Nachbar- ſchaft kennen, oder vielmehr, ich beſuchte ſie nur fleißig, weil mein Vormund mich dort ein- gefuͤhrt hatte. Antonie, die einzige Tochter des Hauſes, lenkte nach kurzer Zeit alle meine Auf- merkſamkeit auf ſich; die Daͤmmerung um mich her ward immer traulicher, und ich hatte am Ende meinen Schmerz vergeſſen, indem ich immer noch ſehr ungluͤcklich zu ſeyn glaubte. Mein ganzes Leben bekam einen neuen Schwung und es ward mir auf eine andere Art lieb. Alle meine großen Entwuͤrfe fielen zuſam- men, meine große heroiſche Biographie kroch in einen Seufzer ein, ein einziger holdſeeliger Blick erfuͤllte alle meine Wuͤnſche. In dieſer Zeit iſt man von allen Frauen- zimmern gern geſehn, weil man ſie verehrt und fuͤr goͤttliche Weſen haͤlt; ſie ſind immer in der Geſellſchaft eines jungen unerfahrnen Men-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/413>, abgerufen am 22.11.2024.