schen glücklich und unbefangen; je blöder, je verlegener er sich nimmt, je lieber ist er ihnen, wenn sie ihn öffentlich auch noch so sehr ver- spotten. Als ich in mehreren Familien bekannt ward, war ich bey allen Frauenzimmern eine ordentliche Modewaare; alle bildeten sich ein, daß sie mich erziehn wollten, um mich zu einem ganz vorzüglichen Menschen zu machen, jede entdeckte in mir Talente, die sich unter ihrem hohen Schutze gewiß vortreflich in mir entwi- ckeln würden. Es ward nun an mir so fein erzogen, daß ich es sogar in meiner damaligen Verstandesblödigkeit bemerkte, man wandte alles an, um mich eitel und verkehrt zu machen, meine Erzieher arbeiteten recht mühsam dahin, daß ich sie verachten mußte, weil sie eine noch höhere Verehrung von mir erzwingen wollten.
Antonie war das einzige Mädchen, das sich nicht um mich zu kümmern schien. Ich hörte so oft mit Verachtung von ihr sprechen, daß ich mir selbst am Ende einbildete, sie wäre mir verächt- lich; man sagte von ihr, daß sie keinen Ver- stand besitze, und es schien auch so, denn sie
ſchen gluͤcklich und unbefangen; je bloͤder, je verlegener er ſich nimmt, je lieber iſt er ihnen, wenn ſie ihn oͤffentlich auch noch ſo ſehr ver- ſpotten. Als ich in mehreren Familien bekannt ward, war ich bey allen Frauenzimmern eine ordentliche Modewaare; alle bildeten ſich ein, daß ſie mich erziehn wollten, um mich zu einem ganz vorzuͤglichen Menſchen zu machen, jede entdeckte in mir Talente, die ſich unter ihrem hohen Schutze gewiß vortreflich in mir entwi- ckeln wuͤrden. Es ward nun an mir ſo fein erzogen, daß ich es ſogar in meiner damaligen Verſtandesbloͤdigkeit bemerkte, man wandte alles an, um mich eitel und verkehrt zu machen, meine Erzieher arbeiteten recht muͤhſam dahin, daß ich ſie verachten mußte, weil ſie eine noch hoͤhere Verehrung von mir erzwingen wollten.
Antonie war das einzige Maͤdchen, das ſich nicht um mich zu kuͤmmern ſchien. Ich hoͤrte ſo oft mit Verachtung von ihr ſprechen, daß ich mir ſelbſt am Ende einbildete, ſie waͤre mir veraͤcht- lich; man ſagte von ihr, daß ſie keinen Ver- ſtand beſitze, und es ſchien auch ſo, denn ſie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0414"n="407"/>ſchen gluͤcklich und unbefangen; je bloͤder, je<lb/>
verlegener er ſich nimmt, je lieber iſt er ihnen,<lb/>
wenn ſie ihn oͤffentlich auch noch ſo ſehr ver-<lb/>ſpotten. Als ich in mehreren Familien bekannt<lb/>
ward, war ich bey allen Frauenzimmern eine<lb/>
ordentliche Modewaare; alle bildeten ſich ein,<lb/>
daß ſie mich erziehn wollten, um mich zu einem<lb/>
ganz vorzuͤglichen Menſchen zu machen, jede<lb/>
entdeckte in mir Talente, die ſich unter ihrem<lb/>
hohen Schutze gewiß vortreflich in mir entwi-<lb/>
ckeln wuͤrden. Es ward nun an mir ſo fein<lb/>
erzogen, daß ich es ſogar in meiner damaligen<lb/>
Verſtandesbloͤdigkeit bemerkte, man wandte<lb/>
alles an, um mich eitel und verkehrt zu machen,<lb/>
meine Erzieher arbeiteten recht muͤhſam dahin,<lb/>
daß ich ſie verachten mußte, weil ſie eine noch<lb/>
hoͤhere Verehrung von mir erzwingen wollten.</p><lb/><p>Antonie war das einzige Maͤdchen, das ſich<lb/>
nicht um mich zu kuͤmmern ſchien. Ich hoͤrte ſo oft<lb/>
mit Verachtung von ihr ſprechen, daß ich mir<lb/>ſelbſt am Ende einbildete, ſie waͤre mir veraͤcht-<lb/>
lich; man ſagte von ihr, daß ſie keinen Ver-<lb/>ſtand beſitze, und es ſchien auch ſo, denn ſie<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[407/0414]
ſchen gluͤcklich und unbefangen; je bloͤder, je
verlegener er ſich nimmt, je lieber iſt er ihnen,
wenn ſie ihn oͤffentlich auch noch ſo ſehr ver-
ſpotten. Als ich in mehreren Familien bekannt
ward, war ich bey allen Frauenzimmern eine
ordentliche Modewaare; alle bildeten ſich ein,
daß ſie mich erziehn wollten, um mich zu einem
ganz vorzuͤglichen Menſchen zu machen, jede
entdeckte in mir Talente, die ſich unter ihrem
hohen Schutze gewiß vortreflich in mir entwi-
ckeln wuͤrden. Es ward nun an mir ſo fein
erzogen, daß ich es ſogar in meiner damaligen
Verſtandesbloͤdigkeit bemerkte, man wandte
alles an, um mich eitel und verkehrt zu machen,
meine Erzieher arbeiteten recht muͤhſam dahin,
daß ich ſie verachten mußte, weil ſie eine noch
hoͤhere Verehrung von mir erzwingen wollten.
Antonie war das einzige Maͤdchen, das ſich
nicht um mich zu kuͤmmern ſchien. Ich hoͤrte ſo oft
mit Verachtung von ihr ſprechen, daß ich mir
ſelbſt am Ende einbildete, ſie waͤre mir veraͤcht-
lich; man ſagte von ihr, daß ſie keinen Ver-
ſtand beſitze, und es ſchien auch ſo, denn ſie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/414>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.