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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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einfältig bleiben, als es meine Geliebte sey.
Ich verstand Antoniens himmlische Unschuld,
die ihren eigenen Werth nicht kannte, die so-
gar erröthete, wenn man sie nur für gut
hielt.

Ich wünschte tausendmal, für Antonien
sterben zu können, für sie irgend ein Verdienst
zu erringen. Ich wünschte sie arm und in Un-
glück, um sie zu retten, in Todesgefahr, ich
flehte, daß wenn sie mich nicht lieben könne,
so wie ich sie liebte, der Himmel sie möchte
sterben lassen, damit ich dann Ruhe hätte, da-
mit ich auf ihrem Grabhügel so lange weinen
könnte, bis ich ihr nachstürbe. -- Der Mensch
kann nie in irgend etwas groß seyn, ohne zu-
gleich ein Thor zu seyn.

Ich bemerkte nur zu bald, daß sie mich
nicht liebte; sie war zwar immer freundlich ge-
gen mich und mehr, wie gegen manchen an-
dern, allein sie war mit mir nie in Verlegen-
heit: sie errieth mich und doch kam sie mir
nicht entgegen, in jedem Worte, das sie sprach,
fühlte ich es innig, daß sie mich nicht liebe.
Alle meine Empfindungen peinigten mich mit
Folterschmerzen, ich wußte nicht, was ich

einfaͤltig bleiben, als es meine Geliebte ſey.
Ich verſtand Antoniens himmliſche Unſchuld,
die ihren eigenen Werth nicht kannte, die ſo-
gar erroͤthete, wenn man ſie nur fuͤr gut
hielt.

Ich wuͤnſchte tauſendmal, fuͤr Antonien
ſterben zu koͤnnen, fuͤr ſie irgend ein Verdienſt
zu erringen. Ich wuͤnſchte ſie arm und in Un-
gluͤck, um ſie zu retten, in Todesgefahr, ich
flehte, daß wenn ſie mich nicht lieben koͤnne,
ſo wie ich ſie liebte, der Himmel ſie moͤchte
ſterben laſſen, damit ich dann Ruhe haͤtte, da-
mit ich auf ihrem Grabhuͤgel ſo lange weinen
koͤnnte, bis ich ihr nachſtuͤrbe. — Der Menſch
kann nie in irgend etwas groß ſeyn, ohne zu-
gleich ein Thor zu ſeyn.

Ich bemerkte nur zu bald, daß ſie mich
nicht liebte; ſie war zwar immer freundlich ge-
gen mich und mehr, wie gegen manchen an-
dern, allein ſie war mit mir nie in Verlegen-
heit: ſie errieth mich und doch kam ſie mir
nicht entgegen, in jedem Worte, das ſie ſprach,
fuͤhlte ich es innig, daß ſie mich nicht liebe.
Alle meine Empfindungen peinigten mich mit
Folterſchmerzen, ich wußte nicht, was ich

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[410/0417] einfaͤltig bleiben, als es meine Geliebte ſey. Ich verſtand Antoniens himmliſche Unſchuld, die ihren eigenen Werth nicht kannte, die ſo- gar erroͤthete, wenn man ſie nur fuͤr gut hielt. Ich wuͤnſchte tauſendmal, fuͤr Antonien ſterben zu koͤnnen, fuͤr ſie irgend ein Verdienſt zu erringen. Ich wuͤnſchte ſie arm und in Un- gluͤck, um ſie zu retten, in Todesgefahr, ich flehte, daß wenn ſie mich nicht lieben koͤnne, ſo wie ich ſie liebte, der Himmel ſie moͤchte ſterben laſſen, damit ich dann Ruhe haͤtte, da- mit ich auf ihrem Grabhuͤgel ſo lange weinen koͤnnte, bis ich ihr nachſtuͤrbe. — Der Menſch kann nie in irgend etwas groß ſeyn, ohne zu- gleich ein Thor zu ſeyn. Ich bemerkte nur zu bald, daß ſie mich nicht liebte; ſie war zwar immer freundlich ge- gen mich und mehr, wie gegen manchen an- dern, allein ſie war mit mir nie in Verlegen- heit: ſie errieth mich und doch kam ſie mir nicht entgegen, in jedem Worte, das ſie ſprach, fuͤhlte ich es innig, daß ſie mich nicht liebe. Alle meine Empfindungen peinigten mich mit Folterſchmerzen, ich wußte nicht, was ich

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/417>, abgerufen am 22.11.2024.