versammeln. Ich sah jetzt erst ein, wie leicht man die Menschen in einer gewissen Ehrfurcht erhalten könne, alles was sie nicht recht ver- stehen, halten sie für etwas ganz außerordent- liches, eben deswegen, weil selbst sie es nicht begreifen können.
Ich ließ nur einige, die ich für die klü- geren hielt, mit mir vertrauter werden, die übrigen blieben stets in einer demüthigen Ab- hängigkeit. Unsere Gesellschaft breitete sich bald in mehrern Städten aus, und bekam ent- fernte Mitglieder, und jetzt war es die Zeit, etwas durchzusetzen, denn sonst wäre sie immer nur ein albernes Possenspiel geblieben. Es war mein Zweck, das Vermögen andrer Leute auf ein oder die andre Art in den Schatz der Ge- sellschaft zu leiten, und es glückte mir mit manchem. Derjenige, der mehrere Grade be- kommen und viel zum Vortheile der Gesellschaft gewirkt hatte, konnte dann auf die Theilnahme an dieser allgemeinen Kasse Ansprüche machen. So wurden alle mit Hoffnungen hingehalten, und jeder einzelne war zufrieden; nur wenige wußten um den Zweck des Meisters, und selbst
verſammeln. Ich ſah jetzt erſt ein, wie leicht man die Menſchen in einer gewiſſen Ehrfurcht erhalten koͤnne, alles was ſie nicht recht ver- ſtehen, halten ſie fuͤr etwas ganz außerordent- liches, eben deswegen, weil ſelbſt ſie es nicht begreifen koͤnnen.
Ich ließ nur einige, die ich fuͤr die kluͤ- geren hielt, mit mir vertrauter werden, die uͤbrigen blieben ſtets in einer demuͤthigen Ab- haͤngigkeit. Unſere Geſellſchaft breitete ſich bald in mehrern Staͤdten aus, und bekam ent- fernte Mitglieder, und jetzt war es die Zeit, etwas durchzuſetzen, denn ſonſt waͤre ſie immer nur ein albernes Poſſenſpiel geblieben. Es war mein Zweck, das Vermoͤgen andrer Leute auf ein oder die andre Art in den Schatz der Ge- ſellſchaft zu leiten, und es gluͤckte mir mit manchem. Derjenige, der mehrere Grade be- kommen und viel zum Vortheile der Geſellſchaft gewirkt hatte, konnte dann auf die Theilnahme an dieſer allgemeinen Kaſſe Anſpruͤche machen. So wurden alle mit Hoffnungen hingehalten, und jeder einzelne war zufrieden; nur wenige wußten um den Zweck des Meiſters, und ſelbſt
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verſammeln. Ich ſah jetzt erſt ein, wie leicht
man die Menſchen in einer gewiſſen Ehrfurcht
erhalten koͤnne, alles was ſie nicht recht ver-
ſtehen, halten ſie fuͤr etwas ganz außerordent-
liches, eben deswegen, weil ſelbſt ſie es nicht
begreifen koͤnnen.
Ich ließ nur einige, die ich fuͤr die kluͤ-
geren hielt, mit mir vertrauter werden, die
uͤbrigen blieben ſtets in einer demuͤthigen Ab-
haͤngigkeit. Unſere Geſellſchaft breitete ſich
bald in mehrern Staͤdten aus, und bekam ent-
fernte Mitglieder, und jetzt war es die Zeit,
etwas durchzuſetzen, denn ſonſt waͤre ſie immer
nur ein albernes Poſſenſpiel geblieben. Es war
mein Zweck, das Vermoͤgen andrer Leute auf
ein oder die andre Art in den Schatz der Ge-
ſellſchaft zu leiten, und es gluͤckte mir mit
manchem. Derjenige, der mehrere Grade be-
kommen und viel zum Vortheile der Geſellſchaft
gewirkt hatte, konnte dann auf die Theilnahme
an dieſer allgemeinen Kaſſe Anſpruͤche machen.
So wurden alle mit Hoffnungen hingehalten,
und jeder einzelne war zufrieden; nur wenige
wußten um den Zweck des Meiſters, und ſelbſt
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/451>, abgerufen am 22.11.2024.
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