Was kümmern mich die Augen der übrigen Welt, wenn mich nur die Ihrigen bemerken und nicht zürnend auf mich blicken!
Sie kennen, Sie dulden und lieben den Menschen, o das hab' ich daran erfahren, daß Sie mich nicht verstießen, als ich die freche Erklärung wagte, als ich Ihnen entdeckte, war- um ich verkleidet dieses Haus betreten habe. -- O Himmel, was kann ich denn auch für die heißen Empfindungen meines Herzens? -- Ist es ein Verbrechen, Sie zu lieben? -- O ja so bin ich ein Verbrecher, verachten und hassen Sie mich und mit dem Ende dieses unerträg- lich schweren Lebens ist meine Sünde abgebüßt. -- Aber nein, Sie haben mir verziehen, Sie haben sich meines Elendes mit der Gütigkeit eines Engels erbarmt, Sie wollen mich gegen meine wilde Verzweiflung schützen, Sie haben es mir zugesagt, -- o warum bin ich denn nicht froh und glücklich? -- Weil ich immer noch an diesem Glücke zweifle, weil ich in die- sem Leben gelernt habe, daß uns alle Hoffnun- gen hintergehn, weil ich es nur für eine schuld- lose Verstellung halte, um mich auf einige Ta- ge zu trösten. -- O Emilie! bedenken Sie, wie
Was kuͤmmern mich die Augen der uͤbrigen Welt, wenn mich nur die Ihrigen bemerken und nicht zuͤrnend auf mich blicken!
Sie kennen, Sie dulden und lieben den Menſchen, o das hab' ich daran erfahren, daß Sie mich nicht verſtießen, als ich die freche Erklaͤrung wagte, als ich Ihnen entdeckte, war- um ich verkleidet dieſes Haus betreten habe. — O Himmel, was kann ich denn auch fuͤr die heißen Empfindungen meines Herzens? — Iſt es ein Verbrechen, Sie zu lieben? — O ja ſo bin ich ein Verbrecher, verachten und haſſen Sie mich und mit dem Ende dieſes unertraͤg- lich ſchweren Lebens iſt meine Suͤnde abgebuͤßt. — Aber nein, Sie haben mir verziehen, Sie haben ſich meines Elendes mit der Guͤtigkeit eines Engels erbarmt, Sie wollen mich gegen meine wilde Verzweiflung ſchuͤtzen, Sie haben es mir zugeſagt, — o warum bin ich denn nicht froh und gluͤcklich? — Weil ich immer noch an dieſem Gluͤcke zweifle, weil ich in die- ſem Leben gelernt habe, daß uns alle Hoffnun- gen hintergehn, weil ich es nur fuͤr eine ſchuld- loſe Verſtellung halte, um mich auf einige Ta- ge zu troͤſten. — O Emilie! bedenken Sie, wie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0049"n="42"/>
Was kuͤmmern mich die Augen der uͤbrigen<lb/>
Welt, wenn mich nur die Ihrigen bemerken<lb/>
und nicht zuͤrnend auf mich blicken!</p><lb/><p>Sie kennen, Sie dulden und lieben den<lb/>
Menſchen, o das hab' ich daran erfahren, daß<lb/>
Sie mich nicht verſtießen, als ich die freche<lb/>
Erklaͤrung wagte, als ich Ihnen entdeckte, war-<lb/>
um ich verkleidet dieſes Haus betreten habe. —<lb/>
O Himmel, was kann ich denn auch fuͤr die<lb/>
heißen Empfindungen meines Herzens? — Iſt<lb/>
es ein Verbrechen, Sie zu lieben? — O ja ſo<lb/>
bin ich ein Verbrecher, verachten und haſſen<lb/>
Sie mich und mit dem Ende dieſes unertraͤg-<lb/>
lich ſchweren Lebens iſt meine Suͤnde abgebuͤßt.<lb/>— Aber nein, Sie haben mir verziehen, Sie<lb/>
haben ſich meines Elendes mit der Guͤtigkeit<lb/>
eines Engels erbarmt, Sie wollen mich gegen<lb/>
meine wilde Verzweiflung ſchuͤtzen, Sie haben<lb/>
es mir zugeſagt, — o warum bin ich denn<lb/>
nicht froh und gluͤcklich? — Weil ich immer<lb/>
noch an dieſem Gluͤcke zweifle, weil ich in die-<lb/>ſem Leben gelernt habe, daß uns alle Hoffnun-<lb/>
gen hintergehn, weil ich es nur fuͤr eine ſchuld-<lb/>
loſe Verſtellung halte, um mich auf einige Ta-<lb/>
ge zu troͤſten. — O Emilie! bedenken Sie, wie<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[42/0049]
Was kuͤmmern mich die Augen der uͤbrigen
Welt, wenn mich nur die Ihrigen bemerken
und nicht zuͤrnend auf mich blicken!
Sie kennen, Sie dulden und lieben den
Menſchen, o das hab' ich daran erfahren, daß
Sie mich nicht verſtießen, als ich die freche
Erklaͤrung wagte, als ich Ihnen entdeckte, war-
um ich verkleidet dieſes Haus betreten habe. —
O Himmel, was kann ich denn auch fuͤr die
heißen Empfindungen meines Herzens? — Iſt
es ein Verbrechen, Sie zu lieben? — O ja ſo
bin ich ein Verbrecher, verachten und haſſen
Sie mich und mit dem Ende dieſes unertraͤg-
lich ſchweren Lebens iſt meine Suͤnde abgebuͤßt.
— Aber nein, Sie haben mir verziehen, Sie
haben ſich meines Elendes mit der Guͤtigkeit
eines Engels erbarmt, Sie wollen mich gegen
meine wilde Verzweiflung ſchuͤtzen, Sie haben
es mir zugeſagt, — o warum bin ich denn
nicht froh und gluͤcklich? — Weil ich immer
noch an dieſem Gluͤcke zweifle, weil ich in die-
ſem Leben gelernt habe, daß uns alle Hoffnun-
gen hintergehn, weil ich es nur fuͤr eine ſchuld-
loſe Verſtellung halte, um mich auf einige Ta-
ge zu troͤſten. — O Emilie! bedenken Sie, wie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/49>, abgerufen am 18.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.