Hinrichtung nicht mehr empfinden als ich jetzt fühlte.
Er redete immer nicht, und es ging plötz- lich wie ein eiskalter Wind durch das Innerste meines Herzens, ich haßte ihn jetzt nicht, aber ich wendete mich gleichgültig um, und ging ei- nige Schritte in den Wald zurück. -- Das Licht war herunter gebrannt, und die Laterne erlosch; -- ich hörte seinen Fußtritt, der sich von mir entfernte. -- Dickes Dunkel war um- her, und der glimmende Docht beleuchtete nur auf einen Augenblick noch eine kleine grüne Stelle auf dem Boden.
O! jetzt hätt' ich ihn gegen über haben mögen! ich hätte ihn mit Thränen und Küssen erstickt. -- Sein Schritt tönte schon viel schwächer, -- ach! ich sehe ihn nicht wieder, sagte ich zu mir selber, und die Thränen ran- nen heiß und dicht gedrängt über meine Wan- gen. -- Ich sehe ihn nicht wieder, und es ist Lovell! -- Ich wollte ihm nach, und stieß an einen Baum, ich sank zur Erde, und rief so laut als ich konnte, von gewaltigem Schluch- zen unterbrochen: Lebe wohl, recht wohl! -- Ich weiß nicht ob er mich gehört hat, ob er es verstanden hat.
Hinrichtung nicht mehr empfinden als ich jetzt fuͤhlte.
Er redete immer nicht, und es ging ploͤtz- lich wie ein eiskalter Wind durch das Innerſte meines Herzens, ich haßte ihn jetzt nicht, aber ich wendete mich gleichguͤltig um, und ging ei- nige Schritte in den Wald zuruͤck. — Das Licht war herunter gebrannt, und die Laterne erloſch; — ich hoͤrte ſeinen Fußtritt, der ſich von mir entfernte. — Dickes Dunkel war um- her, und der glimmende Docht beleuchtete nur auf einen Augenblick noch eine kleine gruͤne Stelle auf dem Boden.
O! jetzt haͤtt' ich ihn gegen uͤber haben moͤgen! ich haͤtte ihn mit Thraͤnen und Kuͤſſen erſtickt. — Sein Schritt toͤnte ſchon viel ſchwaͤcher, — ach! ich ſehe ihn nicht wieder, ſagte ich zu mir ſelber, und die Thraͤnen ran- nen heiß und dicht gedraͤngt uͤber meine Wan- gen. — Ich ſehe ihn nicht wieder, und es iſt Lovell! — Ich wollte ihm nach, und ſtieß an einen Baum, ich ſank zur Erde, und rief ſo laut als ich konnte, von gewaltigem Schluch- zen unterbrochen: Lebe wohl, recht wohl! — Ich weiß nicht ob er mich gehoͤrt hat, ob er es verſtanden hat.
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Hinrichtung nicht mehr empfinden als ich jetzt
fuͤhlte.
Er redete immer nicht, und es ging ploͤtz-
lich wie ein eiskalter Wind durch das Innerſte
meines Herzens, ich haßte ihn jetzt nicht, aber
ich wendete mich gleichguͤltig um, und ging ei-
nige Schritte in den Wald zuruͤck. — Das
Licht war herunter gebrannt, und die Laterne
erloſch; — ich hoͤrte ſeinen Fußtritt, der ſich
von mir entfernte. — Dickes Dunkel war um-
her, und der glimmende Docht beleuchtete nur
auf einen Augenblick noch eine kleine gruͤne
Stelle auf dem Boden.
O! jetzt haͤtt' ich ihn gegen uͤber haben
moͤgen! ich haͤtte ihn mit Thraͤnen und Kuͤſſen
erſtickt. — Sein Schritt toͤnte ſchon viel
ſchwaͤcher, — ach! ich ſehe ihn nicht wieder,
ſagte ich zu mir ſelber, und die Thraͤnen ran-
nen heiß und dicht gedraͤngt uͤber meine Wan-
gen. — Ich ſehe ihn nicht wieder, und es iſt
Lovell! — Ich wollte ihm nach, und ſtieß an
einen Baum, ich ſank zur Erde, und rief ſo
laut als ich konnte, von gewaltigem Schluch-
zen unterbrochen: Lebe wohl, recht wohl! —
Ich weiß nicht ob er mich gehoͤrt hat, ob er es
verſtanden hat.
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/78>, abgerufen am 25.11.2024.
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