weins, jedem ein volles Glas, und mit ihm trinke jeder eine Gesundheit recht von Herzen!
Ernst erhub das flüssige Gold, und sagte nicht ohne Feierlichkeit: Wohlauf, er lebe, der Vater und Befreier unsrer Kunst, der edle deut- sche Mann, unser Göthe, auf den wir stolz sein dürfen, und um den uns andre Nationen be- neiden werden!
Alle stießen an, und als Theodor an ein neuliches Gespräch erinnern wollte, rief Man- fred: nein, Freunde, keine Kritiken jetzt, alle Freude unsrer Jugend, alles was wir ihm zu danken haben, vereinigen wir in unserer Erinn- erung in diesem Augenblick!
Wilibald sagte: du hast Recht, der Mo- ment begeisterter Liebe kann nur Liebe sein, und darum laßt uns Schillers Andenken mit seinem Rahmen vereinigen, dessen ernster groß streben- der Sinn wohl noch länger unter uns hätte ver- weilen sollen.
Ich trinke dieses Glas, sprach Anton bewegt, dem edelsten und freundlichsten Gemüth, dem liebenswürdigsten Greise, dem es wohl gehen möge, dem Weisen, der nie Sektirer war, dem kindlichen Jacobi, den uns ein sanftes Schick- sal noch viele Jahre gönnen möge!
Wir endigen unser Mahl feierlich, sagte Emilie, man kann sich der Rührung nicht erweh- ren, auf diese Weise an geliebte Abwesende zu denken.
Einleitung.
weins, jedem ein volles Glas, und mit ihm trinke jeder eine Geſundheit recht von Herzen!
Ernſt erhub das fluͤſſige Gold, und ſagte nicht ohne Feierlichkeit: Wohlauf, er lebe, der Vater und Befreier unſrer Kunſt, der edle deut- ſche Mann, unſer Goͤthe, auf den wir ſtolz ſein duͤrfen, und um den uns andre Nationen be- neiden werden!
Alle ſtießen an, und als Theodor an ein neuliches Geſpraͤch erinnern wollte, rief Man- fred: nein, Freunde, keine Kritiken jetzt, alle Freude unſrer Jugend, alles was wir ihm zu danken haben, vereinigen wir in unſerer Erinn- erung in dieſem Augenblick!
Wilibald ſagte: du haſt Recht, der Mo- ment begeiſterter Liebe kann nur Liebe ſein, und darum laßt uns Schillers Andenken mit ſeinem Rahmen vereinigen, deſſen ernſter groß ſtreben- der Sinn wohl noch laͤnger unter uns haͤtte ver- weilen ſollen.
Ich trinke dieſes Glas, ſprach Anton bewegt, dem edelſten und freundlichſten Gemuͤth, dem liebenswuͤrdigſten Greiſe, dem es wohl gehen moͤge, dem Weiſen, der nie Sektirer war, dem kindlichen Jacobi, den uns ein ſanftes Schick- ſal noch viele Jahre goͤnnen moͤge!
Wir endigen unſer Mahl feierlich, ſagte Emilie, man kann ſich der Ruͤhrung nicht erweh- ren, auf dieſe Weiſe an geliebte Abweſende zu denken.
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Einleitung.
weins, jedem ein volles Glas, und mit ihm
trinke jeder eine Geſundheit recht von Herzen!
Ernſt erhub das fluͤſſige Gold, und ſagte
nicht ohne Feierlichkeit: Wohlauf, er lebe, der
Vater und Befreier unſrer Kunſt, der edle deut-
ſche Mann, unſer Goͤthe, auf den wir ſtolz ſein
duͤrfen, und um den uns andre Nationen be-
neiden werden!
Alle ſtießen an, und als Theodor an ein
neuliches Geſpraͤch erinnern wollte, rief Man-
fred: nein, Freunde, keine Kritiken jetzt, alle
Freude unſrer Jugend, alles was wir ihm zu
danken haben, vereinigen wir in unſerer Erinn-
erung in dieſem Augenblick!
Wilibald ſagte: du haſt Recht, der Mo-
ment begeiſterter Liebe kann nur Liebe ſein, und
darum laßt uns Schillers Andenken mit ſeinem
Rahmen vereinigen, deſſen ernſter groß ſtreben-
der Sinn wohl noch laͤnger unter uns haͤtte ver-
weilen ſollen.
Ich trinke dieſes Glas, ſprach Anton bewegt,
dem edelſten und freundlichſten Gemuͤth, dem
liebenswuͤrdigſten Greiſe, dem es wohl gehen
moͤge, dem Weiſen, der nie Sektirer war, dem
kindlichen Jacobi, den uns ein ſanftes Schick-
ſal noch viele Jahre goͤnnen moͤge!
Wir endigen unſer Mahl feierlich, ſagte
Emilie, man kann ſich der Ruͤhrung nicht erweh-
ren, auf dieſe Weiſe an geliebte Abweſende zu
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/111>, abgerufen am 24.11.2024.
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