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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Phantasus.

Ich sorgte, was mein Arzt ermessen,
Was ich nicht trinken durft' und essen,
Wie meine Pein zu lindern wäre,
Was mir den Schlaf, die Ruh nicht störe;
So saß ich still in mich gebückt,
Den Kopf in meine Hand gedrückt,
Als ich so sinnend es vernahm
Daß jemand an die Thüre kam,
Es klopfte, und ich rief: herein!
Da öffnet schnell ein Händelein
So weiß wie Baumesblüth, herfür
Trat dann ein Knäblein in die Thür,
Das Haupt gekränzt mit jungen Rosen,
Die eben aus den Knospen losen,
Wie Rosengluth die Lippen hold,
Das krause Haar ein funkelnd Gold,
Die Augen dunkel, violbraun,
Der Leib gar lieblich anzuschaun.
Er trat vor mich und thät sich neigen,
Und sprach alsdann nach kurzem Schweigen:
Wie kömmts, mein lieber kranker Freund,
Daß ihr hier sitzt, da Sonne scheint?
Der Frühling geht umher mit Pracht,
Hat Laub des Waldes angefacht,
Es brennt das grüne Feuer wieder,
Und drein ertönen tausend Lieder,
Die Erde trägt ihr Sommerkleid
Der Plan erglänzt von Blumen weit,
Es spielt der Fisch in blauem See,
Vom Obstbaum hängt der Blüthenschnee,
Die Lieb- und Seegen-schwangre Luft

Phantaſus.

Ich ſorgte, was mein Arzt ermeſſen,
Was ich nicht trinken durft' und eſſen,
Wie meine Pein zu lindern waͤre,
Was mir den Schlaf, die Ruh nicht ſtoͤre;
So ſaß ich ſtill in mich gebuͤckt,
Den Kopf in meine Hand gedruͤckt,
Als ich ſo ſinnend es vernahm
Daß jemand an die Thuͤre kam,
Es klopfte, und ich rief: herein!
Da oͤffnet ſchnell ein Haͤndelein
So weiß wie Baumesbluͤth, herfuͤr
Trat dann ein Knaͤblein in die Thuͤr,
Das Haupt gekraͤnzt mit jungen Roſen,
Die eben aus den Knospen loſen,
Wie Roſengluth die Lippen hold,
Das krauſe Haar ein funkelnd Gold,
Die Augen dunkel, violbraun,
Der Leib gar lieblich anzuſchaun.
Er trat vor mich und thaͤt ſich neigen,
Und ſprach alsdann nach kurzem Schweigen:
Wie koͤmmts, mein lieber kranker Freund,
Daß ihr hier ſitzt, da Sonne ſcheint?
Der Fruͤhling geht umher mit Pracht,
Hat Laub des Waldes angefacht,
Es brennt das gruͤne Feuer wieder,
Und drein ertoͤnen tauſend Lieder,
Die Erde traͤgt ihr Sommerkleid
Der Plan erglaͤnzt von Blumen weit,
Es ſpielt der Fiſch in blauem See,
Vom Obſtbaum haͤngt der Bluͤthenſchnee,
Die Lieb- und Seegen-ſchwangre Luft

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[151/0162] Phantaſus. Ich ſorgte, was mein Arzt ermeſſen, Was ich nicht trinken durft' und eſſen, Wie meine Pein zu lindern waͤre, Was mir den Schlaf, die Ruh nicht ſtoͤre; So ſaß ich ſtill in mich gebuͤckt, Den Kopf in meine Hand gedruͤckt, Als ich ſo ſinnend es vernahm Daß jemand an die Thuͤre kam, Es klopfte, und ich rief: herein! Da oͤffnet ſchnell ein Haͤndelein So weiß wie Baumesbluͤth, herfuͤr Trat dann ein Knaͤblein in die Thuͤr, Das Haupt gekraͤnzt mit jungen Roſen, Die eben aus den Knospen loſen, Wie Roſengluth die Lippen hold, Das krauſe Haar ein funkelnd Gold, Die Augen dunkel, violbraun, Der Leib gar lieblich anzuſchaun. Er trat vor mich und thaͤt ſich neigen, Und ſprach alsdann nach kurzem Schweigen: Wie koͤmmts, mein lieber kranker Freund, Daß ihr hier ſitzt, da Sonne ſcheint? Der Fruͤhling geht umher mit Pracht, Hat Laub des Waldes angefacht, Es brennt das gruͤne Feuer wieder, Und drein ertoͤnen tauſend Lieder, Die Erde traͤgt ihr Sommerkleid Der Plan erglaͤnzt von Blumen weit, Es ſpielt der Fiſch in blauem See, Vom Obſtbaum haͤngt der Bluͤthenſchnee, Die Lieb- und Seegen-ſchwangre Luft

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/162>, abgerufen am 21.11.2024.