Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Erste Abtheilung. Noch dummer wo ich ausgegangen: Vielleicht weil du, mein Sohn, gefehlt, Hab' ich in Angst mich abgequält, Verstehst du wohl die alten Schriften, Wandelst wohl auch auf Weisheits-Triften? Doch laß, ich will dich jetzt nicht plagen, Komm, laß uns in den schönen Tagen So spielen, wie wir sonst gepflogen, Wenn du mir etwas noch gewogen. Der Kleine schmeichelt' sich an mich, Drückt' an mein Knie mit Lächeln sich, Wandt' sich hieher und dorthin nun, Fast wie die jungen Käzlein thun. Da gehn wir aus dem Haus, und warm Nimmt Sommer mich in seinen Arm, Die Lerch' in Lüften jubilirt, Hänfling und Drossel musizirt, Das Grün schmiegt sich um Plan und Hügel, Der Schmetterling wiegt Purpurflügel, Die Blumen roth, braun, gold und blau Stehn dicht gedrängt auf grüner Au, Die Bienen summen luftig, nippen Den Honigseim von Blumenlippen, Duft, röthlich Glanz kreucht aus dem Baum, Hängt von dem Zweig, ein süßer Traum. Wie ist, sprach ich, die Welt so bunt, Von neuem tönt und schwazt der Mund Der kindschen Quellen, Frühlings Hand Nahm von den Zungen ab das Band, Das Winter jährlich um sie legt, Das sich kein lautes Wörtchen regt, Erſte Abtheilung. Noch dummer wo ich ausgegangen: Vielleicht weil du, mein Sohn, gefehlt, Hab' ich in Angſt mich abgequaͤlt, Verſtehſt du wohl die alten Schriften, Wandelſt wohl auch auf Weisheits-Triften? Doch laß, ich will dich jetzt nicht plagen, Komm, laß uns in den ſchoͤnen Tagen So ſpielen, wie wir ſonſt gepflogen, Wenn du mir etwas noch gewogen. Der Kleine ſchmeichelt' ſich an mich, Druͤckt' an mein Knie mit Laͤcheln ſich, Wandt' ſich hieher und dorthin nun, Faſt wie die jungen Kaͤzlein thun. Da gehn wir aus dem Haus, und warm Nimmt Sommer mich in ſeinen Arm, Die Lerch' in Luͤften jubilirt, Haͤnfling und Droſſel muſizirt, Das Gruͤn ſchmiegt ſich um Plan und Huͤgel, Der Schmetterling wiegt Purpurfluͤgel, Die Blumen roth, braun, gold und blau Stehn dicht gedraͤngt auf gruͤner Au, Die Bienen ſummen luftig, nippen Den Honigſeim von Blumenlippen, Duft, roͤthlich Glanz kreucht aus dem Baum, Haͤngt von dem Zweig, ein ſuͤßer Traum. Wie iſt, ſprach ich, die Welt ſo bunt, Von neuem toͤnt und ſchwazt der Mund Der kindſchen Quellen, Fruͤhlings Hand Nahm von den Zungen ab das Band, Das Winter jaͤhrlich um ſie legt, Das ſich kein lautes Woͤrtchen regt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="4"> <pb facs="#f0167" n="156"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erſte Abtheilung</hi>.</fw><lb/> <l>Noch dummer wo ich ausgegangen:</l><lb/> <l>Vielleicht weil du, mein Sohn, gefehlt,</l><lb/> <l>Hab' ich in Angſt mich abgequaͤlt,</l><lb/> <l>Verſtehſt du wohl die alten Schriften,</l><lb/> <l>Wandelſt wohl auch auf Weisheits-Triften?</l><lb/> <l>Doch laß, ich will dich jetzt nicht plagen,</l><lb/> <l>Komm, laß uns in den ſchoͤnen Tagen</l><lb/> <l>So ſpielen, wie wir ſonſt gepflogen,</l><lb/> <l>Wenn du mir etwas noch gewogen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Der Kleine ſchmeichelt' ſich an mich,</l><lb/> <l>Druͤckt' an mein Knie mit Laͤcheln ſich,</l><lb/> <l>Wandt' ſich hieher und dorthin nun,</l><lb/> <l>Faſt wie die jungen Kaͤzlein thun.</l><lb/> <l>Da gehn wir aus dem Haus, und warm</l><lb/> <l>Nimmt Sommer mich in ſeinen Arm,</l><lb/> <l>Die Lerch' in Luͤften jubilirt,</l><lb/> <l>Haͤnfling und Droſſel muſizirt,</l><lb/> <l>Das Gruͤn ſchmiegt ſich um Plan und Huͤgel,</l><lb/> <l>Der Schmetterling wiegt Purpurfluͤgel,</l><lb/> <l>Die Blumen roth, braun, gold und blau</l><lb/> <l>Stehn dicht gedraͤngt auf gruͤner Au,</l><lb/> <l>Die Bienen ſummen luftig, nippen</l><lb/> <l>Den Honigſeim von Blumenlippen,</l><lb/> <l>Duft, roͤthlich Glanz kreucht aus dem Baum,</l><lb/> <l>Haͤngt von dem Zweig, ein ſuͤßer Traum.</l><lb/> <l>Wie iſt, ſprach ich, die Welt ſo bunt,</l><lb/> <l>Von neuem toͤnt und ſchwazt der Mund</l><lb/> <l>Der kindſchen Quellen, Fruͤhlings Hand</l><lb/> <l>Nahm von den Zungen ab das Band,</l><lb/> <l>Das Winter jaͤhrlich um ſie legt,</l><lb/> <l>Das ſich kein lautes Woͤrtchen regt,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [156/0167]
Erſte Abtheilung.
Noch dummer wo ich ausgegangen:
Vielleicht weil du, mein Sohn, gefehlt,
Hab' ich in Angſt mich abgequaͤlt,
Verſtehſt du wohl die alten Schriften,
Wandelſt wohl auch auf Weisheits-Triften?
Doch laß, ich will dich jetzt nicht plagen,
Komm, laß uns in den ſchoͤnen Tagen
So ſpielen, wie wir ſonſt gepflogen,
Wenn du mir etwas noch gewogen.
Der Kleine ſchmeichelt' ſich an mich,
Druͤckt' an mein Knie mit Laͤcheln ſich,
Wandt' ſich hieher und dorthin nun,
Faſt wie die jungen Kaͤzlein thun.
Da gehn wir aus dem Haus, und warm
Nimmt Sommer mich in ſeinen Arm,
Die Lerch' in Luͤften jubilirt,
Haͤnfling und Droſſel muſizirt,
Das Gruͤn ſchmiegt ſich um Plan und Huͤgel,
Der Schmetterling wiegt Purpurfluͤgel,
Die Blumen roth, braun, gold und blau
Stehn dicht gedraͤngt auf gruͤner Au,
Die Bienen ſummen luftig, nippen
Den Honigſeim von Blumenlippen,
Duft, roͤthlich Glanz kreucht aus dem Baum,
Haͤngt von dem Zweig, ein ſuͤßer Traum.
Wie iſt, ſprach ich, die Welt ſo bunt,
Von neuem toͤnt und ſchwazt der Mund
Der kindſchen Quellen, Fruͤhlings Hand
Nahm von den Zungen ab das Band,
Das Winter jaͤhrlich um ſie legt,
Das ſich kein lautes Woͤrtchen regt,
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