du mir verloren gehst, ist keiner mehr von mei- nem Stamme übrig. Der Knabe tröstete ihn, und schmeichelte mit Liebkosungen dem Greise; sie trenn- ten sich endlich.
Conrad klopfte an die Pforte der Burg und ward eingelassen, der alte Eckart blieb draußen in der Nacht allein. Auch diesen habe ich verloren, klagte er in der Einsamkeit, ich werde sein Ange- sicht nicht wieder sehn. Indem er so jammerte, wankte an einem Stabe ein Greis daher, der die Felsen hinab steigen wollte, und bei jedem Schritte zu fürchten schien, daß er in den Abgrund stürzen möchte. Wie Eckart die Gebrechlichkeit des Alten wahrnahm, reichte er ihm die Hand, daß er sicher herunter steigen möchte. Woher des Weges? fragte ihn Eckart.
Der Alte setzte sich nieder und fing an zu wei- nen, daß ihm die hellen Thränen die Wangen hin- unter liefen. Eckart wollte ihn mit gelinden und vernünftigen Worten trösten, aber der sehr beküm- merte Greis schien auf seine wohlgemeinten Reden nicht zu achten, sondern sich seinen Schmerzen noch ungemäßigter zu ergeben. Welcher Gram kann euch denn so gar sehr niederbeugen, fragte er endlich, daß Ihr gänzlich davon überwältigt seid?
Ach meine Kinder! klagte der Alte. Da dachte Eckart an Conrad, Heinz und Dietrich, und war selbst alles Trostes verlustig; ja, wenn eure Kin- der gestorben sind, sprach er, dann ist euer Elend wahrlich sehr groß.
Schlimmer als gestorben, versetzte hierauf der
Der getreue Eckart.
du mir verloren gehſt, iſt keiner mehr von mei- nem Stamme uͤbrig. Der Knabe troͤſtete ihn, und ſchmeichelte mit Liebkoſungen dem Greiſe; ſie trenn- ten ſich endlich.
Conrad klopfte an die Pforte der Burg und ward eingelaſſen, der alte Eckart blieb draußen in der Nacht allein. Auch dieſen habe ich verloren, klagte er in der Einſamkeit, ich werde ſein Ange- ſicht nicht wieder ſehn. Indem er ſo jammerte, wankte an einem Stabe ein Greis daher, der die Felſen hinab ſteigen wollte, und bei jedem Schritte zu fuͤrchten ſchien, daß er in den Abgrund ſtuͤrzen moͤchte. Wie Eckart die Gebrechlichkeit des Alten wahrnahm, reichte er ihm die Hand, daß er ſicher herunter ſteigen moͤchte. Woher des Weges? fragte ihn Eckart.
Der Alte ſetzte ſich nieder und fing an zu wei- nen, daß ihm die hellen Thraͤnen die Wangen hin- unter liefen. Eckart wollte ihn mit gelinden und vernuͤnftigen Worten troͤſten, aber der ſehr bekuͤm- merte Greis ſchien auf ſeine wohlgemeinten Reden nicht zu achten, ſondern ſich ſeinen Schmerzen noch ungemaͤßigter zu ergeben. Welcher Gram kann euch denn ſo gar ſehr niederbeugen, fragte er endlich, daß Ihr gaͤnzlich davon uͤberwaͤltigt ſeid?
Ach meine Kinder! klagte der Alte. Da dachte Eckart an Conrad, Heinz und Dietrich, und war ſelbſt alles Troſtes verluſtig; ja, wenn eure Kin- der geſtorben ſind, ſprach er, dann iſt euer Elend wahrlich ſehr groß.
Schlimmer als geſtorben, verſetzte hierauf der
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Der getreue Eckart.
du mir verloren gehſt, iſt keiner mehr von mei-
nem Stamme uͤbrig. Der Knabe troͤſtete ihn, und
ſchmeichelte mit Liebkoſungen dem Greiſe; ſie trenn-
ten ſich endlich.
Conrad klopfte an die Pforte der Burg und
ward eingelaſſen, der alte Eckart blieb draußen in
der Nacht allein. Auch dieſen habe ich verloren,
klagte er in der Einſamkeit, ich werde ſein Ange-
ſicht nicht wieder ſehn. Indem er ſo jammerte,
wankte an einem Stabe ein Greis daher, der die
Felſen hinab ſteigen wollte, und bei jedem Schritte
zu fuͤrchten ſchien, daß er in den Abgrund ſtuͤrzen
moͤchte. Wie Eckart die Gebrechlichkeit des Alten
wahrnahm, reichte er ihm die Hand, daß er ſicher
herunter ſteigen moͤchte. Woher des Weges? fragte
ihn Eckart.
Der Alte ſetzte ſich nieder und fing an zu wei-
nen, daß ihm die hellen Thraͤnen die Wangen hin-
unter liefen. Eckart wollte ihn mit gelinden und
vernuͤnftigen Worten troͤſten, aber der ſehr bekuͤm-
merte Greis ſchien auf ſeine wohlgemeinten Reden
nicht zu achten, ſondern ſich ſeinen Schmerzen noch
ungemaͤßigter zu ergeben. Welcher Gram kann euch
denn ſo gar ſehr niederbeugen, fragte er endlich,
daß Ihr gaͤnzlich davon uͤberwaͤltigt ſeid?
Ach meine Kinder! klagte der Alte. Da dachte
Eckart an Conrad, Heinz und Dietrich, und war
ſelbſt alles Troſtes verluſtig; ja, wenn eure Kin-
der geſtorben ſind, ſprach er, dann iſt euer Elend
wahrlich ſehr groß.
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/214>, abgerufen am 21.11.2024.
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