maligen Gespräche und erzählten sich die Geschichte ihrer Jugend, doch verschwieg der Tannenhäuser noch immer sorgfältig, wo er seitdem gewesen. Friedrich aber drang in ihn, nachdem sie sich in ihre sonstige Vertraulichkeit wieder hinein gefun- den hatten, jener suchte sich lange den freundschaft- lichen Bitten zu entziehen, doch endlich rief er aus: Nun, so mag dein Wille erfüllt werden, du sollst alles erfahren, mache mir aber nachher keine Vor- würfe, wenn dich die Geschichte mit Bekümmerniß und Grauen erfüllt.
Sie gingen ins Freie und wandelten durch einen grünen Lustwald, wo sie sich nieder setzten, worauf der Tannenhäuser sein Haupt im grünen Grase verbarg und unter lautem Schluchzen sei- nem Freunde abgewandt die rechte Hand reichte, die dieser zärtlich drückte. Der trübselige Pilgrim richtete sich wieder auf, und begann seine Erzäh- lung auf folgende Weise:
Glaube mir, mein Theurer, daß manchem von uns ein böser Geist von seiner Geburt an mitge- geben wird, der ihn durch das Leben dahin äng- stigt und ihn nicht ruhen läßt, bis er an das Ziel seiner schwarzen Bestimmung gelangt ist. So geschahe mir, und mein ganzer Lebenslauf ist nur ein dauerndes Geburtswehe, und mein Erwachen wird in der Hölle sein. Darum habe ich nun schon so viele mühselige Schritte gethan, und so manche stehn mir noch auf meiner Pilgerschaft bevor, ob ich vielleicht beim heiligen Vater zu Rom Vergebung erlangen möchte: vor ihm will ich die
schwere
Erſte Abtheilung.
maligen Geſpraͤche und erzaͤhlten ſich die Geſchichte ihrer Jugend, doch verſchwieg der Tannenhaͤuſer noch immer ſorgfaͤltig, wo er ſeitdem geweſen. Friedrich aber drang in ihn, nachdem ſie ſich in ihre ſonſtige Vertraulichkeit wieder hinein gefun- den hatten, jener ſuchte ſich lange den freundſchaft- lichen Bitten zu entziehen, doch endlich rief er aus: Nun, ſo mag dein Wille erfuͤllt werden, du ſollſt alles erfahren, mache mir aber nachher keine Vor- wuͤrfe, wenn dich die Geſchichte mit Bekuͤmmerniß und Grauen erfuͤllt.
Sie gingen ins Freie und wandelten durch einen gruͤnen Luſtwald, wo ſie ſich nieder ſetzten, worauf der Tannenhaͤuſer ſein Haupt im gruͤnen Graſe verbarg und unter lautem Schluchzen ſei- nem Freunde abgewandt die rechte Hand reichte, die dieſer zaͤrtlich druͤckte. Der truͤbſelige Pilgrim richtete ſich wieder auf, und begann ſeine Erzaͤh- lung auf folgende Weiſe:
Glaube mir, mein Theurer, daß manchem von uns ein boͤſer Geiſt von ſeiner Geburt an mitge- geben wird, der ihn durch das Leben dahin aͤng- ſtigt und ihn nicht ruhen laͤßt, bis er an das Ziel ſeiner ſchwarzen Beſtimmung gelangt iſt. So geſchahe mir, und mein ganzer Lebenslauf iſt nur ein dauerndes Geburtswehe, und mein Erwachen wird in der Hoͤlle ſein. Darum habe ich nun ſchon ſo viele muͤhſelige Schritte gethan, und ſo manche ſtehn mir noch auf meiner Pilgerſchaft bevor, ob ich vielleicht beim heiligen Vater zu Rom Vergebung erlangen moͤchte: vor ihm will ich die
ſchwere
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Erſte Abtheilung.
maligen Geſpraͤche und erzaͤhlten ſich die Geſchichte
ihrer Jugend, doch verſchwieg der Tannenhaͤuſer
noch immer ſorgfaͤltig, wo er ſeitdem geweſen.
Friedrich aber drang in ihn, nachdem ſie ſich in
ihre ſonſtige Vertraulichkeit wieder hinein gefun-
den hatten, jener ſuchte ſich lange den freundſchaft-
lichen Bitten zu entziehen, doch endlich rief er aus:
Nun, ſo mag dein Wille erfuͤllt werden, du ſollſt
alles erfahren, mache mir aber nachher keine Vor-
wuͤrfe, wenn dich die Geſchichte mit Bekuͤmmerniß
und Grauen erfuͤllt.
Sie gingen ins Freie und wandelten durch
einen gruͤnen Luſtwald, wo ſie ſich nieder ſetzten,
worauf der Tannenhaͤuſer ſein Haupt im gruͤnen
Graſe verbarg und unter lautem Schluchzen ſei-
nem Freunde abgewandt die rechte Hand reichte,
die dieſer zaͤrtlich druͤckte. Der truͤbſelige Pilgrim
richtete ſich wieder auf, und begann ſeine Erzaͤh-
lung auf folgende Weiſe:
Glaube mir, mein Theurer, daß manchem von
uns ein boͤſer Geiſt von ſeiner Geburt an mitge-
geben wird, der ihn durch das Leben dahin aͤng-
ſtigt und ihn nicht ruhen laͤßt, bis er an das Ziel
ſeiner ſchwarzen Beſtimmung gelangt iſt. So
geſchahe mir, und mein ganzer Lebenslauf iſt nur
ein dauerndes Geburtswehe, und mein Erwachen
wird in der Hoͤlle ſein. Darum habe ich nun
ſchon ſo viele muͤhſelige Schritte gethan, und ſo
manche ſtehn mir noch auf meiner Pilgerſchaft
bevor, ob ich vielleicht beim heiligen Vater zu Rom
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/235>, abgerufen am 21.11.2024.
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