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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Der Runenberg.
von einer sehr beschwerlichen Wanderschaft aus
dem rauhesten Gebirge auf Erden, aber ich habe
dafür auch endlich die kostbarsten Schätze mitge-
bracht, die die Einbildung nur denken, oder das
Herz sich wünschen kann. Seht hier, und erstaunt!
-- Er öffnete hierauf seinen Sack und schüttete
ihn aus; dieser war voller Kiesel, unter denen
grosse Stücke Quarz, nebst andern Steinen lagen.
Es ist nur, fuhr er fort, daß diese Juwelen noch
nicht polirt und geschliffen sind, darum fehlt es ih-
nen noch an Auge und Blick; das äußerliche Feuer
mit seinem Glanze ist noch zu sehr in ihrem in-
wendigen Herzen begraben, aber man muß es nur
herausschlagen, daß sie sich fürchten, daß keine
Verstellung ihnen mehr nützt, so sieht man wohl,
wes Geistes Kind sie sind. -- Er nahm mit diesen
Worten einen harten Stein und schlug ihn heftig
gegen einen andern, so daß die rothen Funken her-
aussprangen. Habt ihr den Glanz gesehen? rief
er aus; so sind sie ganz Feuer und Licht, sie erhel-
len das Dunkel mit ihrem Lachen, aber noch thun
sie es nicht freiwillig. -- Er packte hierauf alles
wieder sorgfältig in seinen Sack, welchen er fest
zusammen schnürte. Ich kenne dich recht gut,
sagte er dann wehmüthig, du bist Elisabeth. --
Die Frau erschrack. Wie ist dir doch mein Name
bekannt? fragte sie mit ahndendem Zittern. -- Ach,
lieber Gott! sagte der Unglückselige, ich bin ja der
Christian, der einst als Jäger zu euch kam, kennst
du mich denn nicht mehr?

Sie wußte nicht, was sie im Erschrecken und

Der Runenberg.
von einer ſehr beſchwerlichen Wanderſchaft aus
dem rauheſten Gebirge auf Erden, aber ich habe
dafuͤr auch endlich die koſtbarſten Schaͤtze mitge-
bracht, die die Einbildung nur denken, oder das
Herz ſich wuͤnſchen kann. Seht hier, und erſtaunt!
— Er oͤffnete hierauf ſeinen Sack und ſchuͤttete
ihn aus; dieſer war voller Kieſel, unter denen
groſſe Stuͤcke Quarz, nebſt andern Steinen lagen.
Es iſt nur, fuhr er fort, daß dieſe Juwelen noch
nicht polirt und geſchliffen ſind, darum fehlt es ih-
nen noch an Auge und Blick; das aͤußerliche Feuer
mit ſeinem Glanze iſt noch zu ſehr in ihrem in-
wendigen Herzen begraben, aber man muß es nur
herausſchlagen, daß ſie ſich fuͤrchten, daß keine
Verſtellung ihnen mehr nuͤtzt, ſo ſieht man wohl,
wes Geiſtes Kind ſie ſind. — Er nahm mit dieſen
Worten einen harten Stein und ſchlug ihn heftig
gegen einen andern, ſo daß die rothen Funken her-
ausſprangen. Habt ihr den Glanz geſehen? rief
er aus; ſo ſind ſie ganz Feuer und Licht, ſie erhel-
len das Dunkel mit ihrem Lachen, aber noch thun
ſie es nicht freiwillig. — Er packte hierauf alles
wieder ſorgfaͤltig in ſeinen Sack, welchen er feſt
zuſammen ſchnuͤrte. Ich kenne dich recht gut,
ſagte er dann wehmuͤthig, du biſt Eliſabeth. —
Die Frau erſchrack. Wie iſt dir doch mein Name
bekannt? fragte ſie mit ahndendem Zittern. — Ach,
lieber Gott! ſagte der Ungluͤckſelige, ich bin ja der
Chriſtian, der einſt als Jaͤger zu euch kam, kennſt
du mich denn nicht mehr?

Sie wußte nicht, was ſie im Erſchrecken und

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[271/0282] Der Runenberg. von einer ſehr beſchwerlichen Wanderſchaft aus dem rauheſten Gebirge auf Erden, aber ich habe dafuͤr auch endlich die koſtbarſten Schaͤtze mitge- bracht, die die Einbildung nur denken, oder das Herz ſich wuͤnſchen kann. Seht hier, und erſtaunt! — Er oͤffnete hierauf ſeinen Sack und ſchuͤttete ihn aus; dieſer war voller Kieſel, unter denen groſſe Stuͤcke Quarz, nebſt andern Steinen lagen. Es iſt nur, fuhr er fort, daß dieſe Juwelen noch nicht polirt und geſchliffen ſind, darum fehlt es ih- nen noch an Auge und Blick; das aͤußerliche Feuer mit ſeinem Glanze iſt noch zu ſehr in ihrem in- wendigen Herzen begraben, aber man muß es nur herausſchlagen, daß ſie ſich fuͤrchten, daß keine Verſtellung ihnen mehr nuͤtzt, ſo ſieht man wohl, wes Geiſtes Kind ſie ſind. — Er nahm mit dieſen Worten einen harten Stein und ſchlug ihn heftig gegen einen andern, ſo daß die rothen Funken her- ausſprangen. Habt ihr den Glanz geſehen? rief er aus; ſo ſind ſie ganz Feuer und Licht, ſie erhel- len das Dunkel mit ihrem Lachen, aber noch thun ſie es nicht freiwillig. — Er packte hierauf alles wieder ſorgfaͤltig in ſeinen Sack, welchen er feſt zuſammen ſchnuͤrte. Ich kenne dich recht gut, ſagte er dann wehmuͤthig, du biſt Eliſabeth. — Die Frau erſchrack. Wie iſt dir doch mein Name bekannt? fragte ſie mit ahndendem Zittern. — Ach, lieber Gott! ſagte der Ungluͤckſelige, ich bin ja der Chriſtian, der einſt als Jaͤger zu euch kam, kennſt du mich denn nicht mehr? Sie wußte nicht, was ſie im Erſchrecken und

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/282>, abgerufen am 22.11.2024.