scheint, deiner Gewohnheit nach ganz unsre Abrede vergessen; sehr leid thut es mir, (indem er sich zum Fremden wandte) daß ich Sie unmöglich be- gleiten kann, mein Freund ist zu voreilig gewesen, es in meinem Namen zu versprechen; ich kann überhaupt nicht ausgehn, da ich etwas Wichtiges mit ihm abzureden habe.
Der Fremde, welcher bescheiden war und Emils Absicht verstand, entfernte sich; Roderich aber nahm höchst gleichgültig die Maske wieder vor, stellte sich vor den Spiegel und sagte: nicht wahr, man sieht eigentlich ganz scheußlich aus? Es ist im Grunde eine geschmacklose widerwärtige Erfindung.
Das ist gar keine Frage, erwiederte Emil im höchsten Unwillen. Dich zur Carikatur machen, und dich betäuben gehört eben zu den Vergnügun- gen, denen du am liebsten nachjagst.
Weil du nicht tanzen magst, sagte jener, und den Tanz für eine verderbliche Erfindung hältst, so soll auch Niemand anders lustig seyn. Wie verdrüßlich, wenn ein Mensch aus lauter Eigen- heiten zusammen gesetzt ist.
Gewiß, erwiederte der erzürnte Freund, und ich habe Gelegenheit genug, dies an dir zu beob- achten; ich glaubte, daß du mir nach unsrer Ab- rede diesen Abend schenken würdest, aber --
Aber es ist ja Carneval, fuhr jener fort, und alle meine Bekannten und einige Damen erwarten mich auf dem heutigen großen Balle. Bedenke nur, mein Lieber, daß es wahre Krankheit in dir
Erſte Abtheilung.
ſcheint, deiner Gewohnheit nach ganz unſre Abrede vergeſſen; ſehr leid thut es mir, (indem er ſich zum Fremden wandte) daß ich Sie unmoͤglich be- gleiten kann, mein Freund iſt zu voreilig geweſen, es in meinem Namen zu verſprechen; ich kann uͤberhaupt nicht ausgehn, da ich etwas Wichtiges mit ihm abzureden habe.
Der Fremde, welcher beſcheiden war und Emils Abſicht verſtand, entfernte ſich; Roderich aber nahm hoͤchſt gleichguͤltig die Maske wieder vor, ſtellte ſich vor den Spiegel und ſagte: nicht wahr, man ſieht eigentlich ganz ſcheußlich aus? Es iſt im Grunde eine geſchmackloſe widerwaͤrtige Erfindung.
Das iſt gar keine Frage, erwiederte Emil im hoͤchſten Unwillen. Dich zur Carikatur machen, und dich betaͤuben gehoͤrt eben zu den Vergnuͤgun- gen, denen du am liebſten nachjagſt.
Weil du nicht tanzen magſt, ſagte jener, und den Tanz fuͤr eine verderbliche Erfindung haͤltſt, ſo ſoll auch Niemand anders luſtig ſeyn. Wie verdruͤßlich, wenn ein Menſch aus lauter Eigen- heiten zuſammen geſetzt iſt.
Gewiß, erwiederte der erzuͤrnte Freund, und ich habe Gelegenheit genug, dies an dir zu beob- achten; ich glaubte, daß du mir nach unſrer Ab- rede dieſen Abend ſchenken wuͤrdeſt, aber —
Aber es iſt ja Carneval, fuhr jener fort, und alle meine Bekannten und einige Damen erwarten mich auf dem heutigen großen Balle. Bedenke nur, mein Lieber, daß es wahre Krankheit in dir
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Erſte Abtheilung.
ſcheint, deiner Gewohnheit nach ganz unſre Abrede
vergeſſen; ſehr leid thut es mir, (indem er ſich
zum Fremden wandte) daß ich Sie unmoͤglich be-
gleiten kann, mein Freund iſt zu voreilig geweſen,
es in meinem Namen zu verſprechen; ich kann
uͤberhaupt nicht ausgehn, da ich etwas Wichtiges
mit ihm abzureden habe.
Der Fremde, welcher beſcheiden war und Emils
Abſicht verſtand, entfernte ſich; Roderich aber nahm
hoͤchſt gleichguͤltig die Maske wieder vor, ſtellte ſich
vor den Spiegel und ſagte: nicht wahr, man ſieht
eigentlich ganz ſcheußlich aus? Es iſt im Grunde
eine geſchmackloſe widerwaͤrtige Erfindung.
Das iſt gar keine Frage, erwiederte Emil im
hoͤchſten Unwillen. Dich zur Carikatur machen,
und dich betaͤuben gehoͤrt eben zu den Vergnuͤgun-
gen, denen du am liebſten nachjagſt.
Weil du nicht tanzen magſt, ſagte jener, und
den Tanz fuͤr eine verderbliche Erfindung haͤltſt,
ſo ſoll auch Niemand anders luſtig ſeyn. Wie
verdruͤßlich, wenn ein Menſch aus lauter Eigen-
heiten zuſammen geſetzt iſt.
Gewiß, erwiederte der erzuͤrnte Freund, und
ich habe Gelegenheit genug, dies an dir zu beob-
achten; ich glaubte, daß du mir nach unſrer Ab-
rede dieſen Abend ſchenken wuͤrdeſt, aber —
Aber es iſt ja Carneval, fuhr jener fort, und
alle meine Bekannten und einige Damen erwarten
mich auf dem heutigen großen Balle. Bedenke
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/289>, abgerufen am 22.11.2024.
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