Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Liebeszauber. kleidungen, so daß das ganze Gebiet nicht anders,als etwa wie ein komischer Ballsaal anzusehn wäre? Deine Eigenheiten aber gehn noch weiter, denn so wie du die Rose mit einer gewissen Abgötterei liebst, so sind dir andre Blumen eben so lebhaft verhaßt; was hat dir nur die gute liebe Feuerli- lie gethan, wie so manch andres Kind des Som- mers? So sind dir manche Farben zuwider, manche Düfte und viele Gedanken, und du thust nichts dazu, dich gegen diese Stimmungen zu verhärten, sondern du giebst ihnen weichlich nach, und am Ende wird eine Sammlung von dergleichen Selt- samkeiten die Stelle einnehmen, die dein Ich be- sitzen sollte. Emil war im tiefsten Herzen erzürnt und ant- Wozu? fragte jener. Ich höre drüben in der Kirche Musik, ant- Liebeszauber. kleidungen, ſo daß das ganze Gebiet nicht anders,als etwa wie ein komiſcher Ballſaal anzuſehn waͤre? Deine Eigenheiten aber gehn noch weiter, denn ſo wie du die Roſe mit einer gewiſſen Abgoͤtterei liebſt, ſo ſind dir andre Blumen eben ſo lebhaft verhaßt; was hat dir nur die gute liebe Feuerli- lie gethan, wie ſo manch andres Kind des Som- mers? So ſind dir manche Farben zuwider, manche Duͤfte und viele Gedanken, und du thuſt nichts dazu, dich gegen dieſe Stimmungen zu verhaͤrten, ſondern du giebſt ihnen weichlich nach, und am Ende wird eine Sammlung von dergleichen Selt- ſamkeiten die Stelle einnehmen, die dein Ich be- ſitzen ſollte. Emil war im tiefſten Herzen erzuͤrnt und ant- Wozu? fragte jener. Ich hoͤre druͤben in der Kirche Muſik, ant- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0292" n="281"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Liebeszauber</hi>.</fw><lb/> kleidungen, ſo daß das ganze Gebiet nicht anders,<lb/> als etwa wie ein komiſcher Ballſaal anzuſehn waͤre?<lb/> Deine Eigenheiten aber gehn noch weiter, denn ſo<lb/> wie du die Roſe mit einer gewiſſen Abgoͤtterei<lb/> liebſt, ſo ſind dir andre Blumen eben ſo lebhaft<lb/> verhaßt; was hat dir nur die gute liebe Feuerli-<lb/> lie gethan, wie ſo manch andres Kind des Som-<lb/> mers? So ſind dir manche Farben zuwider, manche<lb/> Duͤfte und viele Gedanken, und du thuſt nichts<lb/> dazu, dich gegen dieſe Stimmungen zu verhaͤrten,<lb/> ſondern du giebſt ihnen weichlich nach, und am<lb/> Ende wird eine Sammlung von dergleichen Selt-<lb/> ſamkeiten die Stelle einnehmen, die dein Ich be-<lb/> ſitzen ſollte.</p><lb/> <p>Emil war im tiefſten Herzen erzuͤrnt und ant-<lb/> wortete nicht. Er hatte es nun ſchon aufgegeben,<lb/> ſich jenem mitzutheilen, auch ſchien der leichtſin-<lb/> nige Freund gar keine Begier zu haben, das Ge-<lb/> heimniß zu erfahren, welches ihm ſein melankoli-<lb/> ſcher Gefaͤhrte mit ſo wichtiger Miene angekuͤndigt<lb/> hatte; er ſaß gleichguͤltig im Lehnſeſſel, mit ſeiner<lb/> Maske ſpielend, als er ploͤtzlich ausrief: ſey doch<lb/> ſo gut, Emil, und leih mir deinen großen Mantel.</p><lb/> <p>Wozu? fragte jener.</p><lb/> <p>Ich hoͤre druͤben in der Kirche Muſik, ant-<lb/> wortete Roderich, und habe ſchon alle Abend dieſe<lb/> Stunde verſaͤumt, heut koͤmmt ſie mir recht gele-<lb/> gen, unter deinem Mantel kann ich dieſe Kleidung<lb/> verbergen, auch Maske und Turban darunter ver-<lb/> ſtecken, und wenn ſie geendigt iſt, mich ſogleich<lb/> nach dem Balle begeben.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [281/0292]
Liebeszauber.
kleidungen, ſo daß das ganze Gebiet nicht anders,
als etwa wie ein komiſcher Ballſaal anzuſehn waͤre?
Deine Eigenheiten aber gehn noch weiter, denn ſo
wie du die Roſe mit einer gewiſſen Abgoͤtterei
liebſt, ſo ſind dir andre Blumen eben ſo lebhaft
verhaßt; was hat dir nur die gute liebe Feuerli-
lie gethan, wie ſo manch andres Kind des Som-
mers? So ſind dir manche Farben zuwider, manche
Duͤfte und viele Gedanken, und du thuſt nichts
dazu, dich gegen dieſe Stimmungen zu verhaͤrten,
ſondern du giebſt ihnen weichlich nach, und am
Ende wird eine Sammlung von dergleichen Selt-
ſamkeiten die Stelle einnehmen, die dein Ich be-
ſitzen ſollte.
Emil war im tiefſten Herzen erzuͤrnt und ant-
wortete nicht. Er hatte es nun ſchon aufgegeben,
ſich jenem mitzutheilen, auch ſchien der leichtſin-
nige Freund gar keine Begier zu haben, das Ge-
heimniß zu erfahren, welches ihm ſein melankoli-
ſcher Gefaͤhrte mit ſo wichtiger Miene angekuͤndigt
hatte; er ſaß gleichguͤltig im Lehnſeſſel, mit ſeiner
Maske ſpielend, als er ploͤtzlich ausrief: ſey doch
ſo gut, Emil, und leih mir deinen großen Mantel.
Wozu? fragte jener.
Ich hoͤre druͤben in der Kirche Muſik, ant-
wortete Roderich, und habe ſchon alle Abend dieſe
Stunde verſaͤumt, heut koͤmmt ſie mir recht gele-
gen, unter deinem Mantel kann ich dieſe Kleidung
verbergen, auch Maske und Turban darunter ver-
ſtecken, und wenn ſie geendigt iſt, mich ſogleich
nach dem Balle begeben.
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