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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Erste Abtheilung.
fene Gänge alle Zimmer und Säle des Gebäudes,
wodurch der Wohnsitz von dieser Seite einen reizen-
den, ja wunderbaren Charakter erhielt, indem sich
beständig Figuren in mannigfaltigen Geschäften in
diesen geräumigeren Hallen bewegten; zwischen den
Säulen und aus jedem Zimmer traten neue Ge-
stalten hervor, und erschienen oben oder unten wie-
der, um sich in andern Thüren zu verlieren; auch
versammelte sich Gesellschaft dort zum Thee oder
Spiel, und dadurch gewann von unten das Ganze
das Ansehn eines Theaters, vor welchem jedermann
mit Lust verweilte, und in Gedanken die seltsam-
sten und anziehendsten Begebenheiten oben erwar-
tete.

Die Gesellschaft der jungen Leute wollte eben
aufstehn, als die geschmückte Braut durch den Gar-
ten ging und zu ihnen trat. Sie war in violettem
Sammet gekleidet, ein funkelnder Halsschmuck
wiegte sich auf dem glänzenden Nacken, kostbare
Spitzen liessen den weißen schwellenden Busen
durchschimmern, das braune Haar ward durch den
Myrthen- und Blumenkranz reizender gefärbt.
Sie grüßte alle freundlich, und die Jünglinge
waren von der hohen Schönheit überrascht. Sie
hatte Blumen im Garten gepflückt, und wandte
sich jetzt nach dem innern Hause, um nach der
Ordnung des Mahles zu sehen. Man hatte in
dem untern offnen Gange die Tafeln hingestellt:
blendend schimmerten die Tische mit den weißen
Gedecken und Kristallen, eine Fülle mannichfarbiger
Blumen glänzte aus zierlichen Gefäßen herunter,

Erſte Abtheilung.
fene Gaͤnge alle Zimmer und Saͤle des Gebaͤudes,
wodurch der Wohnſitz von dieſer Seite einen reizen-
den, ja wunderbaren Charakter erhielt, indem ſich
beſtaͤndig Figuren in mannigfaltigen Geſchaͤften in
dieſen geraͤumigeren Hallen bewegten; zwiſchen den
Saͤulen und aus jedem Zimmer traten neue Ge-
ſtalten hervor, und erſchienen oben oder unten wie-
der, um ſich in andern Thuͤren zu verlieren; auch
verſammelte ſich Geſellſchaft dort zum Thee oder
Spiel, und dadurch gewann von unten das Ganze
das Anſehn eines Theaters, vor welchem jedermann
mit Luſt verweilte, und in Gedanken die ſeltſam-
ſten und anziehendſten Begebenheiten oben erwar-
tete.

Die Geſellſchaft der jungen Leute wollte eben
aufſtehn, als die geſchmuͤckte Braut durch den Gar-
ten ging und zu ihnen trat. Sie war in violettem
Sammet gekleidet, ein funkelnder Halsſchmuck
wiegte ſich auf dem glaͤnzenden Nacken, koſtbare
Spitzen lieſſen den weißen ſchwellenden Buſen
durchſchimmern, das braune Haar ward durch den
Myrthen- und Blumenkranz reizender gefaͤrbt.
Sie gruͤßte alle freundlich, und die Juͤnglinge
waren von der hohen Schoͤnheit uͤberraſcht. Sie
hatte Blumen im Garten gepfluͤckt, und wandte
ſich jetzt nach dem innern Hauſe, um nach der
Ordnung des Mahles zu ſehen. Man hatte in
dem untern offnen Gange die Tafeln hingeſtellt:
blendend ſchimmerten die Tiſche mit den weißen
Gedecken und Kriſtallen, eine Fuͤlle mannichfarbiger
Blumen glaͤnzte aus zierlichen Gefaͤßen herunter,

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[300/0311] Erſte Abtheilung. fene Gaͤnge alle Zimmer und Saͤle des Gebaͤudes, wodurch der Wohnſitz von dieſer Seite einen reizen- den, ja wunderbaren Charakter erhielt, indem ſich beſtaͤndig Figuren in mannigfaltigen Geſchaͤften in dieſen geraͤumigeren Hallen bewegten; zwiſchen den Saͤulen und aus jedem Zimmer traten neue Ge- ſtalten hervor, und erſchienen oben oder unten wie- der, um ſich in andern Thuͤren zu verlieren; auch verſammelte ſich Geſellſchaft dort zum Thee oder Spiel, und dadurch gewann von unten das Ganze das Anſehn eines Theaters, vor welchem jedermann mit Luſt verweilte, und in Gedanken die ſeltſam- ſten und anziehendſten Begebenheiten oben erwar- tete. Die Geſellſchaft der jungen Leute wollte eben aufſtehn, als die geſchmuͤckte Braut durch den Gar- ten ging und zu ihnen trat. Sie war in violettem Sammet gekleidet, ein funkelnder Halsſchmuck wiegte ſich auf dem glaͤnzenden Nacken, koſtbare Spitzen lieſſen den weißen ſchwellenden Buſen durchſchimmern, das braune Haar ward durch den Myrthen- und Blumenkranz reizender gefaͤrbt. Sie gruͤßte alle freundlich, und die Juͤnglinge waren von der hohen Schoͤnheit uͤberraſcht. Sie hatte Blumen im Garten gepfluͤckt, und wandte ſich jetzt nach dem innern Hauſe, um nach der Ordnung des Mahles zu ſehen. Man hatte in dem untern offnen Gange die Tafeln hingeſtellt: blendend ſchimmerten die Tiſche mit den weißen Gedecken und Kriſtallen, eine Fuͤlle mannichfarbiger Blumen glaͤnzte aus zierlichen Gefaͤßen herunter,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/311>, abgerufen am 22.11.2024.