nieder, die mit stummem Entsetzen der blutigen Scene zugeschaut hatten. Oben und im Hofe, oder von den Gallerien und Treppen herunter eilend, standen und rannten die scheußlichen Larven in mannichfaltigen Gruppen, höllischen Dämonen ähnlich.
Roderich nahm den Sterbenden in seine Arme. Mit dem Dolche spielend hatte er ihn im Zimmer seiner Gattinn gefunden. Sie war fast angekleidet, bei seinem Eintreten; beim Anblick des rothen widrigen Kleides hatte sich seine Erinnerung belebt, das Schreckbild jener Nacht war vor seine Sinne getreten; knirschend war er auf die zitternde, flie- hende Braut zugesprungen, um den Mord und ihr teuflisches Kunststück zu bestrafen. Die Alte bestätigte sterbend den verübten Frevel, und das ganze Haus war plötzlich in Leid, Trauer und Ent- setzen verwandelt worden.
Alle Zuhörer waren bewegt, am meisten aber Clara, die schon früher Zeichen von Ungeduld gegeben hatte. Nein! rief sie aus und erhob sich: es ist nicht auszuhalten! Diese Geschichten gehn zu schneidend durch Mark und Bein, und ich weiß mich vor Schauder in keinen meiner Ge- danken mehr zu retten. Es ist geradezu abscheu- lich, dergleichen zu erfinden. Ich zittre und ängste mich, und vermuthe, daß aus jedem Busche, aus jeder Laube ein Ungeheuer auf mich zutreten
Erſte Abtheilung.
nieder, die mit ſtummem Entſetzen der blutigen Scene zugeſchaut hatten. Oben und im Hofe, oder von den Gallerien und Treppen herunter eilend, ſtanden und rannten die ſcheußlichen Larven in mannichfaltigen Gruppen, hoͤlliſchen Daͤmonen aͤhnlich.
Roderich nahm den Sterbenden in ſeine Arme. Mit dem Dolche ſpielend hatte er ihn im Zimmer ſeiner Gattinn gefunden. Sie war faſt angekleidet, bei ſeinem Eintreten; beim Anblick des rothen widrigen Kleides hatte ſich ſeine Erinnerung belebt, das Schreckbild jener Nacht war vor ſeine Sinne getreten; knirſchend war er auf die zitternde, flie- hende Braut zugeſprungen, um den Mord und ihr teufliſches Kunſtſtuͤck zu beſtrafen. Die Alte beſtaͤtigte ſterbend den veruͤbten Frevel, und das ganze Haus war ploͤtzlich in Leid, Trauer und Ent- ſetzen verwandelt worden.
Alle Zuhoͤrer waren bewegt, am meiſten aber Clara, die ſchon fruͤher Zeichen von Ungeduld gegeben hatte. Nein! rief ſie aus und erhob ſich: es iſt nicht auszuhalten! Dieſe Geſchichten gehn zu ſchneidend durch Mark und Bein, und ich weiß mich vor Schauder in keinen meiner Ge- danken mehr zu retten. Es iſt geradezu abſcheu- lich, dergleichen zu erfinden. Ich zittre und aͤngſte mich, und vermuthe, daß aus jedem Buſche, aus jeder Laube ein Ungeheuer auf mich zutreten
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Erſte Abtheilung.
nieder, die mit ſtummem Entſetzen der blutigen
Scene zugeſchaut hatten. Oben und im Hofe,
oder von den Gallerien und Treppen herunter
eilend, ſtanden und rannten die ſcheußlichen Larven
in mannichfaltigen Gruppen, hoͤlliſchen Daͤmonen
aͤhnlich.
Roderich nahm den Sterbenden in ſeine Arme.
Mit dem Dolche ſpielend hatte er ihn im Zimmer
ſeiner Gattinn gefunden. Sie war faſt angekleidet,
bei ſeinem Eintreten; beim Anblick des rothen
widrigen Kleides hatte ſich ſeine Erinnerung belebt,
das Schreckbild jener Nacht war vor ſeine Sinne
getreten; knirſchend war er auf die zitternde, flie-
hende Braut zugeſprungen, um den Mord und
ihr teufliſches Kunſtſtuͤck zu beſtrafen. Die Alte
beſtaͤtigte ſterbend den veruͤbten Frevel, und das
ganze Haus war ploͤtzlich in Leid, Trauer und Ent-
ſetzen verwandelt worden.
Alle Zuhoͤrer waren bewegt, am meiſten aber
Clara, die ſchon fruͤher Zeichen von Ungeduld
gegeben hatte. Nein! rief ſie aus und erhob
ſich: es iſt nicht auszuhalten! Dieſe Geſchichten
gehn zu ſchneidend durch Mark und Bein, und
ich weiß mich vor Schauder in keinen meiner Ge-
danken mehr zu retten. Es iſt geradezu abſcheu-
lich, dergleichen zu erfinden. Ich zittre und aͤngſte
mich, und vermuthe, daß aus jedem Buſche, aus
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/325>, abgerufen am 22.11.2024.
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