sei immer redlich, wenn du auch betrogen wirst, denn das ist der Probierstein des Wackern, daß er selten auf rechtliche Menschen trifft, und doch sich selber gleich bleibt. -- Lebe wohl! --
Peter ritt fort, allein und ohne Knappen, denn er wollte allenthalben, wie es oft die jungen Ritter zu thun pflegten, unbekannt bleiben. Die Sonne war herrlich aufgegangen, und der frische Thau glänzte auf den Wiesen. Peter war frohen Mu- thes und spornte sein gutes Roß, daß es oft mu- thig aufsprang. Es lag ihm ein altes Lied im Sinne und er sang es laut:
Traun! Bogen und Pfeil Sind gut für den Feind, Hülflos alleweil Der Elende weint; Dem Edlen blüht Heil Wo Sonne nur scheint, Die Felsen sind steil, Doch Glück ist sein Freund.
Er kam nach vielen Tagereisen in die edle und vornehme Stadt Neapolis. Schon unterwegs hatte er viel vom Könige und seiner überaus schönen Toch- ter Magelone reden hören, so daß er sehr begierig war, sie von Angesicht zu Angesicht zu sehn. Er stieg in einer Herberge ab, und erkundigte sich nach Neuigkeiten; da hörte er vom Wirthe, daß ein vornehmer Ritter, Herr Heinrich von Carpone angekommen sey, und daß ihm zu Ehren ein schö- nes Turnier gehalten werden solle. Er erfuhr zu- gleich, daß auch den Fremden der Zutritt erlaubt
Die ſchoͤne Magelone.
ſei immer redlich, wenn du auch betrogen wirſt, denn das iſt der Probierſtein des Wackern, daß er ſelten auf rechtliche Menſchen trifft, und doch ſich ſelber gleich bleibt. — Lebe wohl! —
Peter ritt fort, allein und ohne Knappen, denn er wollte allenthalben, wie es oft die jungen Ritter zu thun pflegten, unbekannt bleiben. Die Sonne war herrlich aufgegangen, und der friſche Thau glaͤnzte auf den Wieſen. Peter war frohen Mu- thes und ſpornte ſein gutes Roß, daß es oft mu- thig aufſprang. Es lag ihm ein altes Lied im Sinne und er ſang es laut:
Traun! Bogen und Pfeil Sind gut fuͤr den Feind, Huͤlflos alleweil Der Elende weint; Dem Edlen bluͤht Heil Wo Sonne nur ſcheint, Die Felſen ſind ſteil, Doch Gluͤck iſt ſein Freund.
Er kam nach vielen Tagereiſen in die edle und vornehme Stadt Neapolis. Schon unterwegs hatte er viel vom Koͤnige und ſeiner uͤberaus ſchoͤnen Toch- ter Magelone reden hoͤren, ſo daß er ſehr begierig war, ſie von Angeſicht zu Angeſicht zu ſehn. Er ſtieg in einer Herberge ab, und erkundigte ſich nach Neuigkeiten; da hoͤrte er vom Wirthe, daß ein vornehmer Ritter, Herr Heinrich von Carpone angekommen ſey, und daß ihm zu Ehren ein ſchoͤ- nes Turnier gehalten werden ſolle. Er erfuhr zu- gleich, daß auch den Fremden der Zutritt erlaubt
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Die ſchoͤne Magelone.
ſei immer redlich, wenn du auch betrogen wirſt,
denn das iſt der Probierſtein des Wackern, daß er
ſelten auf rechtliche Menſchen trifft, und doch ſich
ſelber gleich bleibt. — Lebe wohl! —
Peter ritt fort, allein und ohne Knappen, denn
er wollte allenthalben, wie es oft die jungen Ritter
zu thun pflegten, unbekannt bleiben. Die Sonne
war herrlich aufgegangen, und der friſche Thau
glaͤnzte auf den Wieſen. Peter war frohen Mu-
thes und ſpornte ſein gutes Roß, daß es oft mu-
thig aufſprang. Es lag ihm ein altes Lied im
Sinne und er ſang es laut:
Traun! Bogen und Pfeil
Sind gut fuͤr den Feind,
Huͤlflos alleweil
Der Elende weint;
Dem Edlen bluͤht Heil
Wo Sonne nur ſcheint,
Die Felſen ſind ſteil,
Doch Gluͤck iſt ſein Freund.
Er kam nach vielen Tagereiſen in die edle und
vornehme Stadt Neapolis. Schon unterwegs hatte
er viel vom Koͤnige und ſeiner uͤberaus ſchoͤnen Toch-
ter Magelone reden hoͤren, ſo daß er ſehr begierig
war, ſie von Angeſicht zu Angeſicht zu ſehn. Er
ſtieg in einer Herberge ab, und erkundigte ſich nach
Neuigkeiten; da hoͤrte er vom Wirthe, daß ein
vornehmer Ritter, Herr Heinrich von Carpone
angekommen ſey, und daß ihm zu Ehren ein ſchoͤ-
nes Turnier gehalten werden ſolle. Er erfuhr zu-
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/344>, abgerufen am 22.11.2024.
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