er euch? Nun also, was kümmert er mich? -- O verzeiht, mein Geliebter, nein, es ist wahr, Ihr müßt eure Eltern wieder sehn, ihr habt euch meinetwegen schon zu lange hier aufgehalten; wie werden sie um euch trauern, wie sehr nach eurer Anwesenheit seufzen, Ja, lebt dann wohl, auf ewig wohl!
Peter sagte: nein, meine theuerste Magelone, ich bleibe; wie könnte ich fortziehn, und dich nicht mehr sehn, nicht mehr diese theuren Augen erblik- ken und Hofnung und Stärke in ihnen finden, diese liebe Stimme nicht mehr hören, die wie ein Gesang aus dem Paradiese in mein Ohr dringt? Nein, ich bleibe; kein Gedanke nach meiner Hei- math und meinen Eltern, denn alle meine Gedan- ken wohnen hier.
Magelone wurde wieder fröhlicher, dann be- sann sie sich eine Weile. Wenn ihr mich liebt, fing sie wieder an, so sollt ihr dennoch reisen. Eure Worte haben einen Gedanken in mir erweckt, der schon seit lange in meiner Seele schlummert, denn ich muß euch sagen, es ist jetzt an dem, daß mich mein Vater mit dem Herrn Heinrich von Carpone vermählen will. Darum flieht von hier, und nehmt mich mit euch, denn ich traue eurem Edelmuthe; haltet morgen in der Nacht mit zwei starken Pfer- den vor der Gartenpforte, aber laßt es Pferde seyn, die eine weite und schnelle Reise wohl ver- tragen können, denn so man uns einholte, wären wir alle elend.
Der Jüngling hörte mit frohem Erstaunen
Erſte Abtheilung.
er euch? Nun alſo, was kuͤmmert er mich? — O verzeiht, mein Geliebter, nein, es iſt wahr, Ihr muͤßt eure Eltern wieder ſehn, ihr habt euch meinetwegen ſchon zu lange hier aufgehalten; wie werden ſie um euch trauern, wie ſehr nach eurer Anweſenheit ſeufzen, Ja, lebt dann wohl, auf ewig wohl!
Peter ſagte: nein, meine theuerſte Magelone, ich bleibe; wie koͤnnte ich fortziehn, und dich nicht mehr ſehn, nicht mehr dieſe theuren Augen erblik- ken und Hofnung und Staͤrke in ihnen finden, dieſe liebe Stimme nicht mehr hoͤren, die wie ein Geſang aus dem Paradieſe in mein Ohr dringt? Nein, ich bleibe; kein Gedanke nach meiner Hei- math und meinen Eltern, denn alle meine Gedan- ken wohnen hier.
Magelone wurde wieder froͤhlicher, dann be- ſann ſie ſich eine Weile. Wenn ihr mich liebt, fing ſie wieder an, ſo ſollt ihr dennoch reiſen. Eure Worte haben einen Gedanken in mir erweckt, der ſchon ſeit lange in meiner Seele ſchlummert, denn ich muß euch ſagen, es iſt jetzt an dem, daß mich mein Vater mit dem Herrn Heinrich von Carpone vermaͤhlen will. Darum flieht von hier, und nehmt mich mit euch, denn ich traue eurem Edelmuthe; haltet morgen in der Nacht mit zwei ſtarken Pfer- den vor der Gartenpforte, aber laßt es Pferde ſeyn, die eine weite und ſchnelle Reiſe wohl ver- tragen koͤnnen, denn ſo man uns einholte, waͤren wir alle elend.
Der Juͤngling hoͤrte mit frohem Erſtaunen
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Erſte Abtheilung.
er euch? Nun alſo, was kuͤmmert er mich? —
O verzeiht, mein Geliebter, nein, es iſt wahr,
Ihr muͤßt eure Eltern wieder ſehn, ihr habt euch
meinetwegen ſchon zu lange hier aufgehalten; wie
werden ſie um euch trauern, wie ſehr nach eurer
Anweſenheit ſeufzen, Ja, lebt dann wohl, auf
ewig wohl!
Peter ſagte: nein, meine theuerſte Magelone,
ich bleibe; wie koͤnnte ich fortziehn, und dich nicht
mehr ſehn, nicht mehr dieſe theuren Augen erblik-
ken und Hofnung und Staͤrke in ihnen finden,
dieſe liebe Stimme nicht mehr hoͤren, die wie ein
Geſang aus dem Paradieſe in mein Ohr dringt?
Nein, ich bleibe; kein Gedanke nach meiner Hei-
math und meinen Eltern, denn alle meine Gedan-
ken wohnen hier.
Magelone wurde wieder froͤhlicher, dann be-
ſann ſie ſich eine Weile. Wenn ihr mich liebt,
fing ſie wieder an, ſo ſollt ihr dennoch reiſen.
Eure Worte haben einen Gedanken in mir erweckt,
der ſchon ſeit lange in meiner Seele ſchlummert, denn
ich muß euch ſagen, es iſt jetzt an dem, daß mich
mein Vater mit dem Herrn Heinrich von Carpone
vermaͤhlen will. Darum flieht von hier, und nehmt
mich mit euch, denn ich traue eurem Edelmuthe;
haltet morgen in der Nacht mit zwei ſtarken Pfer-
den vor der Gartenpforte, aber laßt es Pferde
ſeyn, die eine weite und ſchnelle Reiſe wohl ver-
tragen koͤnnen, denn ſo man uns einholte, waͤren
wir alle elend.
Der Juͤngling hoͤrte mit frohem Erſtaunen
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/369>, abgerufen am 22.11.2024.
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