ihr war, als wenn die Gesträuche winselten und klagten, und ihr ein zärtliches Lebewohl nachriefen.
Vor der Pforte hielt Peter mit drei Pferden, darunter war ein Zelter von einem leichten und be- quemen Gange für das Fräulein, auf einem an- dern Pferde waren Lebensmittel, damit sie auf der Flucht nicht nöthig hätten in Herbergen einzukeh- ren. Peter hob das Fräulein auf den Zelter, und so flohen sie heimlicherweise und unter dem Schutze der Nacht davon.
Die Amme vermißte am Morgen die Prin- zessin, und so fand sich auch bald, daß der Ritter in der Nacht abgereiset sey; der König merkte daraus, daß er seine Tochter entführt habe. Er schickte daher viele Leute aus, um sie aufzusuchen; diese forschten fleißig nach, aber alle kamen nach verschiedenen Tagen unverrichteter Sache zurück.
Peter hatte die Vorsicht gebraucht, daß er nach den Wäldern zugeritten war, die in der Nähe des Meeres lagen; dort waren die Wege am ein- samsten und fast gar nicht besucht, hier floh er mit seiner Geliebten sicher unter dem dichten Schutze der Nacht hinweg. Der Tritt von den Pferden hallte im Forste weit hinab, die Wipfel der Bäume rauschten furchtbar in der Dunkelheit, aber Mage- lonens Herz war frei und fröhlich, denn sie hatte immer ihren Geliebten neben sich. Sie weidete sich an seinem Antlitze, wenn sie über einen freien Platz trabten; sie fragte ihn mancherlei von seinen Eltern und seiner Heimath, und so verging ihnen
Die ſchoͤne Magelone.
ihr war, als wenn die Geſtraͤuche winſelten und klagten, und ihr ein zaͤrtliches Lebewohl nachriefen.
Vor der Pforte hielt Peter mit drei Pferden, darunter war ein Zelter von einem leichten und be- quemen Gange fuͤr das Fraͤulein, auf einem an- dern Pferde waren Lebensmittel, damit ſie auf der Flucht nicht noͤthig haͤtten in Herbergen einzukeh- ren. Peter hob das Fraͤulein auf den Zelter, und ſo flohen ſie heimlicherweiſe und unter dem Schutze der Nacht davon.
Die Amme vermißte am Morgen die Prin- zeſſin, und ſo fand ſich auch bald, daß der Ritter in der Nacht abgereiſet ſey; der Koͤnig merkte daraus, daß er ſeine Tochter entfuͤhrt habe. Er ſchickte daher viele Leute aus, um ſie aufzuſuchen; dieſe forſchten fleißig nach, aber alle kamen nach verſchiedenen Tagen unverrichteter Sache zuruͤck.
Peter hatte die Vorſicht gebraucht, daß er nach den Waͤldern zugeritten war, die in der Naͤhe des Meeres lagen; dort waren die Wege am ein- ſamſten und faſt gar nicht beſucht, hier floh er mit ſeiner Geliebten ſicher unter dem dichten Schutze der Nacht hinweg. Der Tritt von den Pferden hallte im Forſte weit hinab, die Wipfel der Baͤume rauſchten furchtbar in der Dunkelheit, aber Mage- lonens Herz war frei und froͤhlich, denn ſie hatte immer ihren Geliebten neben ſich. Sie weidete ſich an ſeinem Antlitze, wenn ſie uͤber einen freien Platz trabten; ſie fragte ihn mancherlei von ſeinen Eltern und ſeiner Heimath, und ſo verging ihnen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0372"n="361"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Die ſchoͤne Magelone</hi>.</fw><lb/>
ihr war, als wenn die Geſtraͤuche winſelten und<lb/>
klagten, und ihr ein zaͤrtliches Lebewohl nachriefen.</p><lb/><p>Vor der Pforte hielt Peter mit drei Pferden,<lb/>
darunter war ein Zelter von einem leichten und be-<lb/>
quemen Gange fuͤr das Fraͤulein, auf einem an-<lb/>
dern Pferde waren Lebensmittel, damit ſie auf der<lb/>
Flucht nicht noͤthig haͤtten in Herbergen einzukeh-<lb/>
ren. Peter hob das Fraͤulein auf den Zelter, und<lb/>ſo flohen ſie heimlicherweiſe und unter dem Schutze<lb/>
der Nacht davon.</p><lb/><p>Die Amme vermißte am Morgen die Prin-<lb/>
zeſſin, und ſo fand ſich auch bald, daß der Ritter<lb/>
in der Nacht abgereiſet ſey; der Koͤnig merkte<lb/>
daraus, daß er ſeine Tochter entfuͤhrt habe. Er<lb/>ſchickte daher viele Leute aus, um ſie aufzuſuchen;<lb/>
dieſe forſchten fleißig nach, aber alle kamen nach<lb/>
verſchiedenen Tagen unverrichteter Sache zuruͤck.</p><lb/><p>Peter hatte die Vorſicht gebraucht, daß er<lb/>
nach den Waͤldern zugeritten war, die in der Naͤhe<lb/>
des Meeres lagen; dort waren die Wege am ein-<lb/>ſamſten und faſt gar nicht beſucht, hier floh er mit<lb/>ſeiner Geliebten ſicher unter dem dichten Schutze<lb/>
der Nacht hinweg. Der Tritt von den Pferden<lb/>
hallte im Forſte weit hinab, die Wipfel der Baͤume<lb/>
rauſchten furchtbar in der Dunkelheit, aber Mage-<lb/>
lonens Herz war frei und froͤhlich, denn ſie hatte<lb/>
immer ihren Geliebten neben ſich. Sie weidete ſich<lb/>
an ſeinem Antlitze, wenn ſie uͤber einen freien<lb/>
Platz trabten; ſie fragte ihn mancherlei von ſeinen<lb/>
Eltern und ſeiner Heimath, und ſo verging ihnen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[361/0372]
Die ſchoͤne Magelone.
ihr war, als wenn die Geſtraͤuche winſelten und
klagten, und ihr ein zaͤrtliches Lebewohl nachriefen.
Vor der Pforte hielt Peter mit drei Pferden,
darunter war ein Zelter von einem leichten und be-
quemen Gange fuͤr das Fraͤulein, auf einem an-
dern Pferde waren Lebensmittel, damit ſie auf der
Flucht nicht noͤthig haͤtten in Herbergen einzukeh-
ren. Peter hob das Fraͤulein auf den Zelter, und
ſo flohen ſie heimlicherweiſe und unter dem Schutze
der Nacht davon.
Die Amme vermißte am Morgen die Prin-
zeſſin, und ſo fand ſich auch bald, daß der Ritter
in der Nacht abgereiſet ſey; der Koͤnig merkte
daraus, daß er ſeine Tochter entfuͤhrt habe. Er
ſchickte daher viele Leute aus, um ſie aufzuſuchen;
dieſe forſchten fleißig nach, aber alle kamen nach
verſchiedenen Tagen unverrichteter Sache zuruͤck.
Peter hatte die Vorſicht gebraucht, daß er
nach den Waͤldern zugeritten war, die in der Naͤhe
des Meeres lagen; dort waren die Wege am ein-
ſamſten und faſt gar nicht beſucht, hier floh er mit
ſeiner Geliebten ſicher unter dem dichten Schutze
der Nacht hinweg. Der Tritt von den Pferden
hallte im Forſte weit hinab, die Wipfel der Baͤume
rauſchten furchtbar in der Dunkelheit, aber Mage-
lonens Herz war frei und froͤhlich, denn ſie hatte
immer ihren Geliebten neben ſich. Sie weidete ſich
an ſeinem Antlitze, wenn ſie uͤber einen freien
Platz trabten; ſie fragte ihn mancherlei von ſeinen
Eltern und ſeiner Heimath, und ſo verging ihnen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/372>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.