aber er verdiente diesen Neid nicht, denn er ward von seiner Unruhe hin und her getrieben, er seufzte und klagte laut, wenn er sich im Gar- ten allein befand.
So verstrich eine Woche nach der andern und er war nun beinahe zwei Jahr unter den Heiden, ohne daß er Hofnung hatte, jemals in sein gelieb- tes Vaterland zurück zu kehren, denn der Sultan liebte ihn so sehr, daß er ihn durchaus nicht von sich entfernen wollte. Dies zog sich Peter auch zu Sinne und ward darüber mit jedem Tage be- trübter, denn er dachte unaufhörlich an seine Eltern und seine Geliebte. Nichts machte ihm Freude, und da der Frühling wieder kam, weinte er bei seiner Ankunft, und trauerte tief, indem die ganze Natur ihr holdseligstes Fest beging.
Der Sultan hatte eine Tochter, die im gan- zen Lande ihrer Schönheit wegen berühmt war, mit Namen Sulima. Sie fand oft Gelegenheit den Fremden zu sehn, und ohne daß sie es anfangs wußte, hatte sich eine heftige Liebe zu ihm in ihr Herz geschlichen. Die Traurigkeit des Ritters zog sie vorzüglich an, sie wünschte, ihn trösten zu kön- nen, ihm näher zu kommen, und mit ihm zu re- den. Die Gelegenheit dazu fand sich bald. Eine vertraute Sklavin führte den Jüngling heimlich in einen Saal des Gartens zu ihr. Peter war erstaunt und in Verlegenheit; er verwunderte sich über die Schönheit der Sulima, aber sein Herz hing an Magelonen fest.
Doch der süße Trieb, sein Vaterland wieder
Die ſchoͤne Magelone.
aber er verdiente dieſen Neid nicht, denn er ward von ſeiner Unruhe hin und her getrieben, er ſeufzte und klagte laut, wenn er ſich im Gar- ten allein befand.
So verſtrich eine Woche nach der andern und er war nun beinahe zwei Jahr unter den Heiden, ohne daß er Hofnung hatte, jemals in ſein gelieb- tes Vaterland zuruͤck zu kehren, denn der Sultan liebte ihn ſo ſehr, daß er ihn durchaus nicht von ſich entfernen wollte. Dies zog ſich Peter auch zu Sinne und ward daruͤber mit jedem Tage be- truͤbter, denn er dachte unaufhoͤrlich an ſeine Eltern und ſeine Geliebte. Nichts machte ihm Freude, und da der Fruͤhling wieder kam, weinte er bei ſeiner Ankunft, und trauerte tief, indem die ganze Natur ihr holdſeligſtes Feſt beging.
Der Sultan hatte eine Tochter, die im gan- zen Lande ihrer Schoͤnheit wegen beruͤhmt war, mit Namen Sulima. Sie fand oft Gelegenheit den Fremden zu ſehn, und ohne daß ſie es anfangs wußte, hatte ſich eine heftige Liebe zu ihm in ihr Herz geſchlichen. Die Traurigkeit des Ritters zog ſie vorzuͤglich an, ſie wuͤnſchte, ihn troͤſten zu koͤn- nen, ihm naͤher zu kommen, und mit ihm zu re- den. Die Gelegenheit dazu fand ſich bald. Eine vertraute Sklavin fuͤhrte den Juͤngling heimlich in einen Saal des Gartens zu ihr. Peter war erſtaunt und in Verlegenheit; er verwunderte ſich uͤber die Schoͤnheit der Sulima, aber ſein Herz hing an Magelonen feſt.
Doch der ſuͤße Trieb, ſein Vaterland wieder
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Die ſchoͤne Magelone.
aber er verdiente dieſen Neid nicht, denn er
ward von ſeiner Unruhe hin und her getrieben,
er ſeufzte und klagte laut, wenn er ſich im Gar-
ten allein befand.
So verſtrich eine Woche nach der andern und
er war nun beinahe zwei Jahr unter den Heiden,
ohne daß er Hofnung hatte, jemals in ſein gelieb-
tes Vaterland zuruͤck zu kehren, denn der Sultan
liebte ihn ſo ſehr, daß er ihn durchaus nicht von
ſich entfernen wollte. Dies zog ſich Peter auch
zu Sinne und ward daruͤber mit jedem Tage be-
truͤbter, denn er dachte unaufhoͤrlich an ſeine Eltern
und ſeine Geliebte. Nichts machte ihm Freude,
und da der Fruͤhling wieder kam, weinte er bei
ſeiner Ankunft, und trauerte tief, indem die ganze
Natur ihr holdſeligſtes Feſt beging.
Der Sultan hatte eine Tochter, die im gan-
zen Lande ihrer Schoͤnheit wegen beruͤhmt war,
mit Namen Sulima. Sie fand oft Gelegenheit
den Fremden zu ſehn, und ohne daß ſie es anfangs
wußte, hatte ſich eine heftige Liebe zu ihm in ihr
Herz geſchlichen. Die Traurigkeit des Ritters zog
ſie vorzuͤglich an, ſie wuͤnſchte, ihn troͤſten zu koͤn-
nen, ihm naͤher zu kommen, und mit ihm zu re-
den. Die Gelegenheit dazu fand ſich bald. Eine
vertraute Sklavin fuͤhrte den Juͤngling heimlich
in einen Saal des Gartens zu ihr. Peter war
erſtaunt und in Verlegenheit; er verwunderte ſich
uͤber die Schoͤnheit der Sulima, aber ſein Herz
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/388>, abgerufen am 22.11.2024.
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