hinunter, und jenseit erhob sich das gräfliche Schloß. Martin hatte von der Herrschaft das große Gut gepachtet, und lebte mit seiner Frau und seinem ein- zigen Kinde vergnügt, denn er legte jährlich zurück, und hatte die Aussicht durch Thätigkeit ein ver- mögender Mann zu werden, da der Boden ergie- big war und der Graf ihn nicht drückte.
Indem er mit seiner Frau nach seinen Feldern ging, schaute er frölich um sich, und sagte: wie ist doch die Gegend hier so ganz anders, Brigitte, als diejenige, in der wir sonst wohnten. Hier ist es so grün, das ganze Dorf prangt von dichtge- drängten Obstbäumen, der Boden ist voll schöner Kräuter und Blumen, alle Häuser sind munter und reinlich, die Einwohner wohlhabend, ja mir dünkt, die Wälder hier sind schöner und der Him- mel blauer, und so weit nur das Auge reicht, sieht man seine Lust und Freude an der freigebi- gen Natur.
So wie man nur, sagte Brigitte, dort jenseit des Flusses ist, so befindet man sich wie auf einer andern Erde, alles so traurig und dürr; jeder Rei- sende behauptet aber auch, daß unser Dorf weit und breit in der Runde das schönste sey.
Bis auf jenen Tannengrund, erwiederte der Mann; schau einmal dorthin zurück, wie schwarz und traurig der abgelegene Fleck in der ganzen hei- tern Umgebung liegt; hinter den dunkeln Tannen- bäumen die rauchige Hütte, die verfallenen Ställe, der schwermüthig vorüber fließende Bach.
Es ist wahr sagte die Frau, indem beide still
I. [ 26 ]
Die Elfen.
hinunter, und jenſeit erhob ſich das graͤfliche Schloß. Martin hatte von der Herrſchaft das große Gut gepachtet, und lebte mit ſeiner Frau und ſeinem ein- zigen Kinde vergnuͤgt, denn er legte jaͤhrlich zuruͤck, und hatte die Ausſicht durch Thaͤtigkeit ein ver- moͤgender Mann zu werden, da der Boden ergie- big war und der Graf ihn nicht druͤckte.
Indem er mit ſeiner Frau nach ſeinen Feldern ging, ſchaute er froͤlich um ſich, und ſagte: wie iſt doch die Gegend hier ſo ganz anders, Brigitte, als diejenige, in der wir ſonſt wohnten. Hier iſt es ſo gruͤn, das ganze Dorf prangt von dichtge- draͤngten Obſtbaͤumen, der Boden iſt voll ſchoͤner Kraͤuter und Blumen, alle Haͤuſer ſind munter und reinlich, die Einwohner wohlhabend, ja mir duͤnkt, die Waͤlder hier ſind ſchoͤner und der Him- mel blauer, und ſo weit nur das Auge reicht, ſieht man ſeine Luſt und Freude an der freigebi- gen Natur.
So wie man nur, ſagte Brigitte, dort jenſeit des Fluſſes iſt, ſo befindet man ſich wie auf einer andern Erde, alles ſo traurig und duͤrr; jeder Rei- ſende behauptet aber auch, daß unſer Dorf weit und breit in der Runde das ſchoͤnſte ſey.
Bis auf jenen Tannengrund, erwiederte der Mann; ſchau einmal dorthin zuruͤck, wie ſchwarz und traurig der abgelegene Fleck in der ganzen hei- tern Umgebung liegt; hinter den dunkeln Tannen- baͤumen die rauchige Huͤtte, die verfallenen Staͤlle, der ſchwermuͤthig voruͤber fließende Bach.
Es iſt wahr ſagte die Frau, indem beide ſtill
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Die Elfen.
hinunter, und jenſeit erhob ſich das graͤfliche Schloß.
Martin hatte von der Herrſchaft das große Gut
gepachtet, und lebte mit ſeiner Frau und ſeinem ein-
zigen Kinde vergnuͤgt, denn er legte jaͤhrlich zuruͤck,
und hatte die Ausſicht durch Thaͤtigkeit ein ver-
moͤgender Mann zu werden, da der Boden ergie-
big war und der Graf ihn nicht druͤckte.
Indem er mit ſeiner Frau nach ſeinen Feldern
ging, ſchaute er froͤlich um ſich, und ſagte: wie iſt
doch die Gegend hier ſo ganz anders, Brigitte,
als diejenige, in der wir ſonſt wohnten. Hier iſt
es ſo gruͤn, das ganze Dorf prangt von dichtge-
draͤngten Obſtbaͤumen, der Boden iſt voll ſchoͤner
Kraͤuter und Blumen, alle Haͤuſer ſind munter
und reinlich, die Einwohner wohlhabend, ja mir
duͤnkt, die Waͤlder hier ſind ſchoͤner und der Him-
mel blauer, und ſo weit nur das Auge reicht,
ſieht man ſeine Luſt und Freude an der freigebi-
gen Natur.
So wie man nur, ſagte Brigitte, dort jenſeit
des Fluſſes iſt, ſo befindet man ſich wie auf einer
andern Erde, alles ſo traurig und duͤrr; jeder Rei-
ſende behauptet aber auch, daß unſer Dorf weit
und breit in der Runde das ſchoͤnſte ſey.
Bis auf jenen Tannengrund, erwiederte der
Mann; ſchau einmal dorthin zuruͤck, wie ſchwarz
und traurig der abgelegene Fleck in der ganzen hei-
tern Umgebung liegt; hinter den dunkeln Tannen-
baͤumen die rauchige Huͤtte, die verfallenen Staͤlle,
der ſchwermuͤthig voruͤber fließende Bach.
Es iſt wahr ſagte die Frau, indem beide ſtill
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/412>, abgerufen am 22.11.2024.
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