standen, so oft man sich jenem Platze nur nähert, wird man traurig und beängstigt, man weiß selbst nicht warum. Wer nur die Menschen eigentlich seyn mögen, die dort wohnen, und warum sie sich doch nur so von allen in der Gemeinde entfernt halten, als wenn sie kein gutes Gewissen hätten.
Armes Gesindel, erwiederte der junge Pach- ter, dem Anschein nach Zigeunervolk, die in der Ferne rauben und betrügen, und hier vielleicht ih- ren Schlumpfwinkel haben. Mich wundert nur, daß die gnädige Herrschaft sie duldet.
Es können auch wohl, sagte die Frau weich- müthig, arme Leute seyn, die sich ihrer Armuth schämen, denn man kann ihnen doch eben nichts Böses nachsagen, nur ist es bedenklich, daß sie sich nicht zur Kirche halten, und man auch eigent- lich nicht weiß wovon sie leben, denn der kleine Garten, der noch dazu ganz wüst zu liegen scheint, kann sie unmöglich erhalten, und Felder haben sie nicht.
Weiß der liebe Gott, fuhr Martin fort, in- dem sie weiter gingen, was sie treiben mögen, kommt doch auch kein Mensch zu ihnen, denn der Ort wo sie wohnen ist ja wie verbannt und ver- hext, so daß sich auch die vorwitzigsten Bursche nicht hingetrauen.
Dieses Gespräch setzen sie fort, indem sie sich in das Feld wandten. Jene finstre Gegend, von welcher sie sprachen, lag abseits vom Dorfe. In einer Vertiefung, welche Tannen umgaben, zeigte sich eine Hütte und verschiedene fast zertrümmerte
Erſte Abtheilung.
ſtanden, ſo oft man ſich jenem Platze nur naͤhert, wird man traurig und beaͤngſtigt, man weiß ſelbſt nicht warum. Wer nur die Menſchen eigentlich ſeyn moͤgen, die dort wohnen, und warum ſie ſich doch nur ſo von allen in der Gemeinde entfernt halten, als wenn ſie kein gutes Gewiſſen haͤtten.
Armes Geſindel, erwiederte der junge Pach- ter, dem Anſchein nach Zigeunervolk, die in der Ferne rauben und betruͤgen, und hier vielleicht ih- ren Schlumpfwinkel haben. Mich wundert nur, daß die gnaͤdige Herrſchaft ſie duldet.
Es koͤnnen auch wohl, ſagte die Frau weich- muͤthig, arme Leute ſeyn, die ſich ihrer Armuth ſchaͤmen, denn man kann ihnen doch eben nichts Boͤſes nachſagen, nur iſt es bedenklich, daß ſie ſich nicht zur Kirche halten, und man auch eigent- lich nicht weiß wovon ſie leben, denn der kleine Garten, der noch dazu ganz wuͤſt zu liegen ſcheint, kann ſie unmoͤglich erhalten, und Felder haben ſie nicht.
Weiß der liebe Gott, fuhr Martin fort, in- dem ſie weiter gingen, was ſie treiben moͤgen, kommt doch auch kein Menſch zu ihnen, denn der Ort wo ſie wohnen iſt ja wie verbannt und ver- hext, ſo daß ſich auch die vorwitzigſten Burſche nicht hingetrauen.
Dieſes Geſpraͤch ſetzen ſie fort, indem ſie ſich in das Feld wandten. Jene finſtre Gegend, von welcher ſie ſprachen, lag abſeits vom Dorfe. In einer Vertiefung, welche Tannen umgaben, zeigte ſich eine Huͤtte und verſchiedene faſt zertruͤmmerte
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[402/0413]
Erſte Abtheilung.
ſtanden, ſo oft man ſich jenem Platze nur naͤhert,
wird man traurig und beaͤngſtigt, man weiß ſelbſt
nicht warum. Wer nur die Menſchen eigentlich
ſeyn moͤgen, die dort wohnen, und warum ſie ſich
doch nur ſo von allen in der Gemeinde entfernt
halten, als wenn ſie kein gutes Gewiſſen haͤtten.
Armes Geſindel, erwiederte der junge Pach-
ter, dem Anſchein nach Zigeunervolk, die in der
Ferne rauben und betruͤgen, und hier vielleicht ih-
ren Schlumpfwinkel haben. Mich wundert nur,
daß die gnaͤdige Herrſchaft ſie duldet.
Es koͤnnen auch wohl, ſagte die Frau weich-
muͤthig, arme Leute ſeyn, die ſich ihrer Armuth
ſchaͤmen, denn man kann ihnen doch eben nichts
Boͤſes nachſagen, nur iſt es bedenklich, daß ſie
ſich nicht zur Kirche halten, und man auch eigent-
lich nicht weiß wovon ſie leben, denn der kleine
Garten, der noch dazu ganz wuͤſt zu liegen
ſcheint, kann ſie unmoͤglich erhalten, und Felder
haben ſie nicht.
Weiß der liebe Gott, fuhr Martin fort, in-
dem ſie weiter gingen, was ſie treiben moͤgen,
kommt doch auch kein Menſch zu ihnen, denn der
Ort wo ſie wohnen iſt ja wie verbannt und ver-
hext, ſo daß ſich auch die vorwitzigſten Burſche
nicht hingetrauen.
Dieſes Geſpraͤch ſetzen ſie fort, indem ſie ſich
in das Feld wandten. Jene finſtre Gegend, von
welcher ſie ſprachen, lag abſeits vom Dorfe. In
einer Vertiefung, welche Tannen umgaben, zeigte
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/413>, abgerufen am 22.11.2024.
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