Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Einleitung. und daß sich vom Himmel herunter eine unge-heure Kelterpresse drücke, die mit Einem Wurf den ganzen Weinberg ausquetsche, so daß in Caskaden der Wein die Marmorstufen herunter rausche und wie in ein großes Bassin sich unten in meinen durstenden Schlund ergösse. Von diesen Riesenbildern war ich geheilt, und schon durft' ich mit Vorsicht kühlende Getränke genie- ßen, schon widerstanden mir Fleischspeisen nicht mehr, und mein Arzt schrieb sich die Namen der vornehmsten Cramerschen Romane auf, um sie ähnlichen Kranken zu empfehlen; ich wandelte schon im Zimmer, sah bei der ersten Frühlings- wärme aus dem Fenster, durfte wieder phanta- siren, und nach einigen Wochen konnt' ich schon die Hoffnung fassen, bald dies Gebirge zu be- treten, in welchem ich euch, ihr Lieben, zur Vol- lendung meiner Genesung, gefunden. -- Aber eilt, man läutet schon die Abendglocke, wir sind vor dem Städtchen, dort treffen wir die Freunde und vernehmen vielleicht wunderliche Dinge von ihnen. Im Baumgarten des Gasthofes saßen am Einleitung. und daß ſich vom Himmel herunter eine unge-heure Kelterpreſſe druͤcke, die mit Einem Wurf den ganzen Weinberg ausquetſche, ſo daß in Caskaden der Wein die Marmorſtufen herunter rauſche und wie in ein großes Baſſin ſich unten in meinen durſtenden Schlund ergoͤſſe. Von dieſen Rieſenbildern war ich geheilt, und ſchon durft' ich mit Vorſicht kuͤhlende Getraͤnke genie- ßen, ſchon widerſtanden mir Fleiſchſpeiſen nicht mehr, und mein Arzt ſchrieb ſich die Namen der vornehmſten Cramerſchen Romane auf, um ſie aͤhnlichen Kranken zu empfehlen; ich wandelte ſchon im Zimmer, ſah bei der erſten Fruͤhlings- waͤrme aus dem Fenſter, durfte wieder phanta- ſiren, und nach einigen Wochen konnt' ich ſchon die Hoffnung faſſen, bald dies Gebirge zu be- treten, in welchem ich euch, ihr Lieben, zur Vol- lendung meiner Geneſung, gefunden. — Aber eilt, man laͤutet ſchon die Abendglocke, wir ſind vor dem Staͤdtchen, dort treffen wir die Freunde und vernehmen vielleicht wunderliche Dinge von ihnen. Im Baumgarten des Gaſthofes ſaßen am <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0042" n="31"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/> und daß ſich vom Himmel herunter eine unge-<lb/> heure Kelterpreſſe druͤcke, die mit Einem Wurf<lb/> den ganzen Weinberg ausquetſche, ſo daß in<lb/> Caskaden der Wein die Marmorſtufen herunter<lb/> rauſche und wie in ein großes Baſſin ſich unten<lb/> in meinen durſtenden Schlund ergoͤſſe. Von<lb/> dieſen Rieſenbildern war ich geheilt, und ſchon<lb/> durft' ich mit Vorſicht kuͤhlende Getraͤnke genie-<lb/> ßen, ſchon widerſtanden mir Fleiſchſpeiſen nicht<lb/> mehr, und mein Arzt ſchrieb ſich die Namen<lb/> der vornehmſten Cramerſchen Romane auf, um<lb/> ſie aͤhnlichen Kranken zu empfehlen; ich wandelte<lb/> ſchon im Zimmer, ſah bei der erſten Fruͤhlings-<lb/> waͤrme aus dem Fenſter, durfte wieder phanta-<lb/> ſiren, und nach einigen Wochen konnt' ich ſchon<lb/> die Hoffnung faſſen, bald dies Gebirge zu be-<lb/> treten, in welchem ich euch, ihr Lieben, zur Vol-<lb/> lendung meiner Geneſung, gefunden. — Aber eilt,<lb/> man laͤutet ſchon die Abendglocke, wir ſind vor<lb/> dem Staͤdtchen, dort treffen wir die Freunde und<lb/> vernehmen vielleicht wunderliche Dinge von ihnen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Im Baumgarten des Gaſthofes ſaßen am<lb/> andern Morgen die fuͤnf Vereinigten um einen<lb/> runden Tiſch, ihre Stimmung war heiter wie<lb/> der ſchoͤne Morgen, nur Friedrich ſchien ernſt<lb/> und in ſich gekehrt, ſo ſehr auch Lothar jede<lb/> Gelegenheit ergriff, ihn durch Scherz und Froh-<lb/> ſinn zu ermuntern.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [31/0042]
Einleitung.
und daß ſich vom Himmel herunter eine unge-
heure Kelterpreſſe druͤcke, die mit Einem Wurf
den ganzen Weinberg ausquetſche, ſo daß in
Caskaden der Wein die Marmorſtufen herunter
rauſche und wie in ein großes Baſſin ſich unten
in meinen durſtenden Schlund ergoͤſſe. Von
dieſen Rieſenbildern war ich geheilt, und ſchon
durft' ich mit Vorſicht kuͤhlende Getraͤnke genie-
ßen, ſchon widerſtanden mir Fleiſchſpeiſen nicht
mehr, und mein Arzt ſchrieb ſich die Namen
der vornehmſten Cramerſchen Romane auf, um
ſie aͤhnlichen Kranken zu empfehlen; ich wandelte
ſchon im Zimmer, ſah bei der erſten Fruͤhlings-
waͤrme aus dem Fenſter, durfte wieder phanta-
ſiren, und nach einigen Wochen konnt' ich ſchon
die Hoffnung faſſen, bald dies Gebirge zu be-
treten, in welchem ich euch, ihr Lieben, zur Vol-
lendung meiner Geneſung, gefunden. — Aber eilt,
man laͤutet ſchon die Abendglocke, wir ſind vor
dem Staͤdtchen, dort treffen wir die Freunde und
vernehmen vielleicht wunderliche Dinge von ihnen.
Im Baumgarten des Gaſthofes ſaßen am
andern Morgen die fuͤnf Vereinigten um einen
runden Tiſch, ihre Stimmung war heiter wie
der ſchoͤne Morgen, nur Friedrich ſchien ernſt
und in ſich gekehrt, ſo ſehr auch Lothar jede
Gelegenheit ergriff, ihn durch Scherz und Froh-
ſinn zu ermuntern.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |